Update: Anakos Trippelklemm EP09 ist da!
Seid gegrüßt, verehrte*r Anonymous!
Endlich: Anakos Trippelklemm EP09 ist da! Puh, zwischendurch habe ich wirklich geglaubt, dass ich es nicht mehr schaffe. Aber hier ist Anakos und wisst ihr was? EP10 befindet sich schon im Entwurf. Das wird hoffentlich eine schöne Abschlussfolge für die 2.Staffel. Es wird noch das ein oder andere Update in den kommenden Wochen geben, also schaut ab und zu hier vorbei oder behaltet meine social media im Auge. Aber nun wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen!
Anakos Trippelklemm und wie er zu sich selbst fand, EP09:
Es war schon später Nachmittag als Anakos zusammen mit Windgeschwind und den anderen Sturmpiraten auf der Fruchtinsel landete.
„So da wären wir. Jetzt heißt es abladen, sortieren und Liwa die gewünschten Sachen bringen.“
Anakos rekelte sich und streckte seine Scheren.
„Soll ich schon mal vorgehen und Liwa Bescheid geben?“
„Das kannst du gerne machen. Wir werden ein bisschen Zeit brauchen um alles zu sortieren. Ich komme dann mit Ebba nach.“
Anakos streckte sich noch einmal, krabbelte durchs Gefieder, unter den Flügeln durch und rutschte an Windgeschwinds Bein hinab in den warmen Sand.
„Wieder zu Hause“, murmelte er, während er den Impuls unterdrücken musste, sich direkt in den heimelig duftenden Sand zu graben. Dann schaute Anakos zu Windgeschwind hoch.
„Dann gehe ich jetzt zu Liwa und warte dort auf dich.“
„Warte kurz, ich kann dich direkt am Wasserfall absetzen, dann sparst du dir den Hinweg.“
Doch Anakos wackelte kurz mit den Fühlern.
„Das ist lieb von dir, aber ich wollte den Weg nutzen um mir ein paar Gedanken zu machen, schließlich muss ich mit Liwa einiges bereden.“
Windgeschwind machte einen zögerlichen Hüpfer rückwärts und musterte Anakos.
„Ich verstehe, dann kümmere ich mich jetzt um den Schwarm und die Sachen und du dich um Liwa.“
„Ja, so machen wir das.“
„Bis später.“
„Bis dann.“
Anakos wandte sich um, krebste gemütlich durch den Sand in Richtung Liwas Grotte. Ein kühler Wind war aufgekommen und die Sonne stand schon tief am Horizont. Anakos krabbelte in Richtung Krebs-Kolonie-Felsen, überwand Steinchen, umrundete einen angespülten Ast, kletterte die ersten Absätze hinauf, ließ sich vom seichten Wasser, dass langsam höher stieg erfrischen, knabberte an frischem Seetang und trippelte die Stufen zu den Wohn-Grotten hinauf. Für einen Moment überlegte er, ob er kurz in seiner eigenen Grotte nach dem Rechten sehen sollte, doch er entschied sich dagegen. Die ganze Zeit grübelte er, wie er Liwa beibringen sollte, dass er noch nicht bereit war, die Krebs-Kolonie zu übernehmen. Er kam sich undankbar und egoistisch vor. Da gab ihm jemand eine so große Chance und er wollte nichts lieber als mit seinem Partner um die Welt reisen. Anakos seufzte und malte sich Liwas Enttäuschung aus.
„Anakos Trippelklemm, wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen, dass du nicht so viel grübeln sollst? Du bist ja schon ganz steif vor Spannung.“
Irea rutschte hin und her, so als wäre es besonders unbequem auf Anakos Rücken geworden. Anakos klapperte beschwichtigend mit den Scheren.
„Du hast es mir schon oft gesagt, aber ich kann einfach nicht aus meinem Häuschen. Kann ich dich was persönliches fragen?“
„Nur zu.“
„Glaubst du, ich bin ein schlechter Einsiedler-Krebs?“
Auf seinem Rücken wurde es still, dann pustete etwas Eiskaltes Anakos Fühler nach vorne.
„Sag mal, hast du was Falsches gegessen? Das kommt jetzt wie aus dem Nichts.“
„Nein, mir geht es gut.“
„Na, dann, aber was genau meinst du? Wieso glaubst du, du wärst ein schlechter Krebs?“
Irea pustete erneut, doch diesmal sanfter. Anakos stieg die Stufen zu Liwas Grotte empor, ließ sich dann auf der letzten nieder und legte bedächtig seine Scheren zusammen.
„Na ja, ich habe Liwa doch versprochen die Krebs-Kolonie von ihm zu übernehmen und jetzt sieht es doch so aus, als würde ich vor dieser Aufgabe davonlaufen, wenn ich mit Windgeschwind auf Weltreise gehe. Liwa wird bestimmt sehr enttäuscht sein und was noch dazukommt, er ist auch nicht mehr der Jüngste. Bin ich nicht rücksichtslos, wenn ich, der bis über beide Fühler verliebte Einsiedlerkrebs morgen meine Sachen packe und auf Windgeschwinds Rücken von hier wegfliege nur um meine eigene Neugierde und Leidenschaft zu befriedigen?“
„Hm, also ich denke, dass du Liwa unterschätzt. Er machte nicht den Eindruck, dass er ein Krebs ist, der sich nicht in andere hineinversetzen kann. Ich an deiner Stelle würde es ihm erklären. Immerhin war Liwa auch einmal jung und weiß vermutlich wie das mit der Liebe so ist. Sie erwischt einen einfach, nicht sofort, vielleicht auch erst spät, manchmal sogar nie, aber jetzt hat sie dich eben fest im Griff. Ob es egoistisch ist, sich für seine Liebe zu entscheiden, mag sein. Aber du hast andererseits wenig Erfahrung und die Reise mit Windgeschwind wäre die Gelegenheit das zu ändern. Ich denke, Liwa weiß das. Ich bin viel neugieriger, wie er darauf reagieren wird, wenn er erfährt, wen du dir da als Herzenstier ausgesucht hast.“
Anakos klapperte nachdenklich mit den Scheren.
„Weil Windgeschwind ein Seevogel ist und Seevögel öfter mal uns nicht unbedingt freundlich gesonnen sind?“
„So was in der Richtung.“
„Windgeschwind gehört nicht zu jener Art. Das hätte sich längst gezeigt.“
Anakos hob den Blick und richtete sich auf.
„Windgeschwind ist ein feiner Seevogel. Mir wird nichts passieren.“
Er machte sich groß und krebste in den Gang mit den weißgrünen Muschelsplittern, folgte den Windungen, krebste hoch und runter und erreichte schließlich Liwas Grotte. Liwa hockte in der Mitte auf einem runden Stein und zählte Seegraswurzeln. Anakos trippelte auf ihn zu.
„Liwa, ich bin wieder da.“
Liwa hob seine Stielaugen, dann legte er die Wurzel, die er gerade noch in einer Schere hatte säuberlich auf den Stapel und rutschte etwas schwerfällig von seinem Stein. Er lächelte und die beiden Krebse schüttelten sich die Scheren.
„Anakos, wie ist es gelaufen? Habt ihr alles bekommen?“
„Ja, haben wir. Windgeschwind kümmert sich gerade darum alle Kräuter ordentlich zusammenzupacken und kommt gleich nach.“
„Sehr gut, sehr gut.“
Anakos beäugte Liwa. Der alte Kolonie-Vorsteher machte den Eindruck als könnte er Schlaf gebrauchen. Anakos zögerte. Sollte er nicht vielleicht erst morgen mit Liwa die Details besprechen? Aber Windgeschwind würde jeden Moment die Kräuter bringen und er hatte versprochen, bis dahin mit Liwa zu reden. Für einen Augenblick fühlte Anakos sich hin und hergerissen. Doch dann verspürte er einen kühlen Hauch von seinem Häuschen aus und holte tief Luft.
„Liwa, ich muss mit dir reden.“
Der alte Krebs musterte ihn neugierig.
„Was gibt es denn?“
Anakos klapperte unsicher mit den Scheren. Er hatte sich gar nicht überlegt, wie er anfangen sollte, suchte nach den richtigen Worten und presste schließlich heraus:
„Ich kann die Krebs-Kolonie noch nicht übernehmen. Der Ausflug mit den Sturmpiraten hat mir klargemacht wie unerfahren ich bin. Ich kann keine Mengen abschätzen, weiß nicht, was andere Tiere überhaupt brauchen, wie sie denken. Ich bin überhaupt kein Vorsteher-Krebs und kann mir nicht vorstellen jetzt schon für den Rest meines Lebens hier auf der Fruchtinsel zu bleiben und außerdem, und außerdem…“
Anakos zog seine Fühler ein und verkroch sich immer mehr in sein Häuschen. Irea schnaubte kühl. Liwa klapperte irritiert mit den Scheren und trippelte hin und her.
„Und außerdem?“
Anakos holte tief Luft:
„Und außerdem hab ich mich verliebt.“
Liwa blieb stehen und bekam große Stielaugen.
„In Hydri?“
Anakos schnellte überrascht aus seinem Häuschen hervor.
„Nein, aber woher kennst du Hydri?“
„Ich stehe selbstverständlich mit dem Kori in Verbindung und das ein oder andere Tier hört sich auch gerne reden, also war es nur eine Frage der Zeit bis ich von Hydri erfuhr.“
„Du stehst mit dem Kori in Verbindung? Mit wem denn alles?“
Liwa strich sich nachdenklich über die Fühler.
„Mit der Kori-Bürgermeisterin, mit der Schatzsuchenden-Gilde, mit den Sturmpiraten, mit unseren Nachbarn auf der Zuckerhut-Insel, oh und ich habe ein paar entfernte Verwandte auf dem Festland.“
Anakos wollte erst mit den Scheren klappern, doch er bekam sie nicht zu. Er rang mit sich. Was musste er denn noch alles sehen und lernen? Plötzlich kamen ihm seine Gefühle für Windgeschwind eher hinderlich vor. Er wollte sich doch nicht vor seiner Aufgabe drücken, aber er wollte auch mit Windgeschwind zusammen sein. Und schließlich musste er irgendwie Erfahrungen sammeln, um ein guter Krebs-Kolonie-Vorsteher zu werden. Es war zum Schneckenhäuschen rauben! Wie sollte er sich da richtig entscheiden? Wie sollte er es allen recht machen, wie sollte er es sich selbst recht machen? Anakos trippelte, nein taumelte nach rechts, dann nach links und wollte gerade Liwas Antwort kommentieren, doch da vernahm Anakos ein Rauschen und Windgeschwind landete mit Ebba in der Höhle. Sie waren beide mit Rucksäcken beladen. Liwa klapperte sichtlich erleichtert mit seinen Scheren und krebste auf die Sturmpiraten zu. Anakos blieb dort wo er war und wenn er ein Sturmpirat gewesen wäre, hätte er sich jetzt aufgeplustert, stattdessen seufzte er nur und ließ die Fühler hängen. Er hatte es zwar ausgesprochen, aber Liwa hatte noch nicht reagiert. Und jetzt war Windgeschwind schon eingetroffen.
„Irea, ich bin doch wirklich ein hoffnungsloser Krebs, oder?“
Irea pustete diesmal nicht, stattdessen hauchte sie Wärme über Anakos Fühler.
„Bist du nicht. Du bist nur jemand, der alle Möglichkeiten in Betracht zieht, genau überlegt und erst dann handelt. Das mag dich vielleicht etwas langsam erscheinen lassen, dafür machst du aber weniger Fehler. Und nur weil du nach Worten ringen musst, bist du doch kein hoffnungsloser Fall. Ich meine, wer findet schon immer in jeder Situation die richtigen Worte? Selbst wir großen magischen Bibliotheken sind sprachlos, wenn das Leben zuschlägt. Wissen und Worte finden sind zwei unterschiedliche Dinge. Nur weil du weißt, dass du Windgeschwind liebst, heißt das nicht, dass du es auch in Worte fassen kannst. Und nur weil du vielleicht die richtigen Worte findest, heißt das nicht, dass du weißt, was Liebe ist. Um das alles herauszufinden braucht es vor allem Zeit. Zeit und Geduld. Du bist doch schon ein mutiger Krebs, Anakos, jetzt musst du nur noch lernen, dass manche Dinge Zeit und manch andere vor allem Geduld brauchen. Und das Wichtigste ist, dass du vor allem Geduld mit dir selbst lernst.“
Anakos lauschte auf Ireas Worte. Er war sich nicht sicher, ob er alles was sie sagte verstand, aber etwas hatte sich in ihm zusammengeballt. Es fühlte sich an, wie eine Schale, die kurz vor dem Aufbrechen stand, nur um dann eine schimmernde Perle zu enthüllen. Anakos beobachtete, wie Liwa mit den beiden Sturmpiraten die Kräuter durchging, er plauderte unbeschwert und wechselte mühelos zwischen witzigem Charme und ernsthaften Verhandlungsgespräch hin und her, brachte Ebba zum lachen und lobte Windgeschwind. Die Vögel hörten Liwa zu, merkten sich seine Vorlieben, behandelten ihn respektvoll und zuvorkommend. Ob ich eines Tages das auch so kann, wie er?, grübelte er, doch dann lenkte ihn ein weißes Leuchten im Halbschatten der Höhle ab. Windgeschwind hatte Ebba mit Liwa alleingelassen und flatterte auf ihn zu. Anakos sah auf, als dieser direkt vor ihm landete und zufrieden pfiff.
„Da bist du ja. Hast du mit Liwa geredet?“, Windgeschwind musterte Anakos neugierig.
„Äh.., nein…“, murmelte Anakos verlegen und malte mit einer Schere Kreise in den lockeren Erdboden, während er Windgeschwinds Blick auswich.
„Waren wir zu schnell?“, fragte dieser.
„Nein, ich habe es vermasselt…“, murmelte Anakos verlegen.
„Sollen wir zusammen mit ihm reden?“, Windgeschwind putzte sich kurz und streckte seine Flügel.
Anakos blickte auf.
„Aber du hast doch gar nichts mit der Krebs-Kolonie zu tun. Das kann ich nicht von dir verlangen.“
Windgeschwind pfiff leiste, es klang belustigt.
„Bin ich nicht dein Herzensvogel? Und viel wichtiger, bist du nicht ein Teil der Krebs-Kolonie? Wenn wir Partner sind und du teil der Krebs-Kolonie, dann bin ich über dich mit der Kolonie verbunden. Ich kann mich nicht blind und taub stellen, wenn jemand meine Hilfe braucht, schon gar nicht, wenn es sich dabei um mein Herzenskrebs handelt. Vielleicht bin ich etwas anmaßend. Ich weiß nicht was euch Krebse alles so umtreibt, aber du siehst gerade so aus, als könntest du meine Unterstützung gebrauchen. Liege ich da falsch?“
Anakos streckte seine Scheren und klappte sie langsam auf und zu, doch dann ließ er seine Fühler hängen.
„Nein, du liegst damit ganz richtig. Aber darf ich etwas vorschlagen?“
„Sicher.“
„Lass uns erst Liwa sagen, dass wir beide uns gefunden haben und dann regel ich mit ihm den Rest. Doch bevor wir das tun, darf ich auf deinen Rücken?“
Anakos bewegte sich auf Windgeschwind zu, dieser schaute erst überrascht, doch dann setzte er sich neben Anakos auf den Boden und dieser krabbelte unter Brustgefieder und Flügelfedern hindurch bis er den zarten Nackenflaum erreichte und noch weiter bis er auf Windgeschwinds Kopf hoch gekrabbelt kam. Windgeschwind erhob sich und Anakos murmelte:
„Immer wenn ich auf deinem Kopf sitze, habe ich einen so guten Überblick, dass ich mich wundere, warum ich mich überhaupt noch auf dem Boden aufhalte. Aber ich muss dir noch etwas sagen. Etwas womöglich sehr Boshaftes.“
Windgeschwind klapperte träge mit dem Schnabel
„Etwas Boshaftes? Ich habe zwar leichte Schwierigkeiten mir vorzustellen, dass du ein boshafter Krebs bist, aber nur raus damit. Ich bin neugierig, ob ich auch mit einem boshaften Anakos umgehen kann.“
Woher nahm dieser Vogel nur dieses unglaubliche Selbstbewusstsein?, dachte Anakos, doch er hörte sich schon antworten:
„Als ich versucht habe, mit Liwa zu reden, da hat er mir, vermutlich noch nicht einmal absichtlich, sehr, sehr deutlich gezeigt, was ich noch alles lernen muss, um eine guter Kolonie-Vorsteher zu werden und für einen Moment, nur einen kleinen Moment, habe ich gedacht, dass angesichts dieser Aufgabe meine Gefühle für dich nicht zählen, dass sie sogar hinderlich sind, um meine eigentliche Aufgabe in Zukunft zu erfüllen. Ich habe gedacht, dass du ein Hindernis bist.“
Anakos verstummte und in seinem Magen bildete sich ein Knoten. Was würde Windgeschwind nur von ihm denken? Am liebsten hätte er sich in sein Häuschen verkrochen, doch er fand, dass er ehrlich zu Windgeschwind sein musste. Auch wenn es Schwierigkeiten oder Streit zwischen ihnen geben würde, Anakos schwor sich niemals Windgeschwind anzulügen.
„Darf ich dir eine Frage stellen?“
Windgeschwind klang ernst und Anakos hatte den Eindruck als würden seine Scheren ihren Dienst versagen.
„Ja, sicher“, flüsterte er kleinlaut.
„Wie hast du dich dabei gefühlt, als dir das durch den Kopf ging?“
„Als ich gedacht habe, dass meine Gefühle für dich nicht zählten, oder sie sogar hinderlich wären, dass du ein Hindernis für mich sein könntest, da habe ich mich ganz ekelig gefühlt, schäbig und kleinlich. Wie konnte ich nur so über dich und unsere Verbindung denken? Bin ich so oberflächlich, dass ich Freundschaft, sogar Liebe einfach wegwerfen kann nur um einen Posten einzunehmen? Nein, so will und kann ich nicht sein. Auch wenn Kolonie-Vorsteher sein eine große Ehre für Krebse wie mich ist, ich kann doch nicht einfach alles andere ignorieren, nein, ich will das gar nicht ignorieren. Es gibt Größeres als die Kolonie, es gibt Gewaltigeres als die Fruchtinsel und es gibt Magischeres zwischen Ozean, Himmel und Erde als ein einzelner Einsiedlerkrebs sich vorstellen kann. Ich will das alles entdecken. Mit dir“, er wackelte mit den Fühlern und kroch vorsichtig wieder aus seinem Häuschen.„Ergibt das für dich Sinn?“
Windgeschwind brauchte eine Weile für eine Antwort. Er klang ein wenig entgeistert und gleichzeitig nachdenklich, aber in seiner Stimme lag ein solch warmer Unterton, dass Anakos Scheren ganz schnell warm und kribbelig wurden.
„Anakos, du weißt schon, dass du mit deiner Art sämtlichen Krebs-Damen längst den Kopf verdreht hättest, oder? Du bist so eine ehrliche Seele, dass mir der Schnabel manchmal offenstehen bleibt. Du überrascht mich jedes Mal und immer wenn ich denke, jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr überrascht werden kann, belehrst du mich eines Besseren. Möchtest du wissen, wie ich die Sache sehen?“
Anakos war endgültig wieder aus seinem Häuschen gekommen, blickte zu Windgeschwind hoch und klapperte, zuversichtlicher geworden, mit den Scheren.
„Ja, bitte.“
Windgeschwind berührte kurz Anakos linke Schere.
„Ich kann dich und deine Zweifel sehr gut verstehen. Wir haben jeder unser eigenes Leben und unsere Aufgaben. Und einiges davon haben wir uns nicht unbedingt ausgesucht. Deshalb kann ich verstehen, dass du denkst, dass Verbindungen, ob Freundschaft oder Liebe spielt in diesem Punkt erst einmal keine Rolle, ein Hindernis sein können. Verbindungen können uns aufhalten, verletzen, gar bewegungsunfähig machen. Aber wenn wir bereits an diesen Punkt gelangt sind, würdest du dann noch von Freundschaft oder Liebe sprechen? Du hast gesagt, dass du dich schäbig und kleinlich bei dem Gedanken, dass ich ein Hindernis für dich sein könnte, gefühlt hast. Weiß du, dass klingt paradox, aber das hat mich sehr glücklich gemacht. Denn es zeigt, dass ich dir so wichtig bin, dass du dir genau solche Gedanken um mich und um uns machst. Du musstest mit dir kämpfen und wenn du anfängst zu kämpfen, dann ist das ein Zeichen dafür, wie wichtig dir etwas ist. Du hast mir dadurch gezeigt, wie wichtig ich für dich bin, so wichtig, dass du bereit bist zu kämpfen um mich in deinem Leben zu haben trotz deiner Aufgaben, die du vor dir hast. Ich bin davon überzeugt, dass wenn wir mit Liwa sprechen, er dich verstehen wird. Vertrau mir.“
Anakos bekam immer größere Stielaugen, während er Windgeschwind lauschte. Irea rutschte auf seinem Rücken hin und her, dann murmelte sie:
„Siehst du? Wie wäre es, wenn du dir nicht immer allein den Kopf zerbrichst, sondern mit deinen Mittieren redest. Dann verlierst du dich auch nicht in deinen schlimmsten Befürchtungen. Und jetzt geh und sprich mit Liwa.“
Windgeschwind nickte und stupste mit seinem Flügel Anakos rechte Schere an. Anakos wackelte mit den Fühlern und versuchte den Wirbel an Gedanken und Gefühlen, der in ihm tobte, zu sortieren. Er tupfte Windgeschwind kurz über den Schnabel.
„Ich denke, ihr habt beide recht damit, dass ich ganz gut darin bin, mich in meinen Grübeleien zu verlieren. In Ordnung, ich werde mit Liwa reden. Windgeschwind?“
„Ja?“
Anakos blickte erst verlegen zu Boden, doch dann hob er seine Scheren.
„Komm mal runter zu mir.“
Windgeschwind setzte sich gehorsam zu ihm und brachte seinen Kopf auf Anakos Stielaugenhöhe.
„So?“
„Noch näher.“
Der Sturmpirat rückte näher, bis Anakos beide Scheren an dessen Schnabel legen und mit seinen Fühlern darüber tupfen konnte. Dann gab er Windgeschwind wieder frei.
„So. Jetzt können wir zu Liwa.“
Windgeschwind pfiff glücklich und erhob sich. Liwa stand mit Picker und Ebba zusammen und inspizierte die mitgebrachten Kräuter für die Kolonie, als Anakos und Windgeschwind sich zu ihnen gesellten. Liwa rückte ein Stück zur Seite, so dass Anakos sich neben ihn setzen konnte.
„Liwa, ich muss mit dir reden.“
„Das hast eben schon gesagt. Was gibt es denn?“
Anakos schielte zu Windgeschwind, der ihm aufmunternd zuzwinkerte. Anakos holte tief Luft.
„Ich will mit Windgeschwind um die Welt fliegen bevor ich die Kolonie übernehmen. Ich bin noch nicht soweit deine Position einzunehmen. Es tut mir leid.“
Liwa legte seine Scheren aneinander und kippte die Fühler nach hinten
„Und weiter?“
„Wie und weiter…“
„Ist das alles was du loswerden wolltest?“
Anakos klapperte ratlos mit den Scheren.
„Ja, das ist alles.“
Liwa blinzelte kurz, dann lachte er.
„In Ordnung.“
Anakos schwieg irritiert.
„War das nicht die Antwort, die du erwartet hast?“
Liwa grub sich neben Anakos in den lockeren Boden und formte mit seinen Scheren eine kleine Burg aus Erde.
„Ich wäre ein schlechter Kolonie-Vorsteher, wenn ich darauf bestehen würde, jemanden einzusetzen, der sich noch nicht bereit für diese Aufgabe fühlt. Das wäre verantwortungslos.“
Liwa wackelte entspannt mit den Fühlern, während Anakos beobachtete, wie Liwa der Erdburg einen spitzen Turm verpasste.
„Ehrlich gesagt, bin ich nicht überrascht. Ich hatte bei dir von Anfang an das Gefühlt, dass du ein Krebs bist, der sich noch austoben muss. Deshalb, auch wenn ich ein wenig traurig bin, dass du die Fruchtinsel für einige Zeit verlassen möchtest, schau dir ruhig die Welt an. Wer weiß, was du alles lernst. Und wenn du Heimweh bekommst, dann denke daran, dass das hier dein Zuhause ist, zu dem du immer zurückkehren kannst.“
Anakos kam sich ein bisschen verkrebst vor. Hatte er sich völlig umsonst Sorgen gemacht? Es sah ganz danach aus. Doch dann richtete dieser sich auf, schüttelte seine Scheren. Die kleine Burg schwankte. Anakos folgte der Bewegung.
„Ich will nicht neugierig sein, aber verrate mir eins: Warum gerade Windgeschwind und die Sturmpiraten? Warum nicht Hydri und das Kori? Vom Kori aus, könntest du mit der Schatzsuchenden-Gilde gemütlich erst den näheren Ozean erkunden und dann mit Umi reden. Die Meerwesen sind über den ganzen Ozean verteilt. Mit ihrer Hilfe hättest du nicht annähernd die Gefahren zu bewältigen, die ein Sturmpiraten-Leben so mit sich bringen. Nenn mich alt und konservativ, aber wir Krebse sind nicht unbedingt fürs Fliegen gemacht.“
Liwa schüttelte sich und blickte zu den Sturmpiraten hinüber, die lebhaft miteinander schnatterten. Die Burg aus der lockeren Erde bröselte leicht, doch Anakos folgte Liwas Blick, der an Windgeschwind hängengeblieben war. Der kleine Krebs dachte kurz nach, dann klapperte er zuversichtlich mit den Scheren.
„Der Himmel und der Ozean haben ganz viel gemeinsam. Unendliche Weiten, Strömungen, das Licht und die Dunkelheit. Während wir im Wasser schwimmen, schwimmen die Sturmpiraten in der Luft. Statt Schuppen, Flossen oder Scheren, benutzen sie dafür Flügel. Aber das Gefühl ist ähnlich. Und dann dieser Rausch. Ob in der Tiefe oder in der Höhe, wir erleben denselben Rausch. Und manchmal sinkt dieser Rausch einem mitten ins Herz…“
Anakos Worte verloren sich in der Weite der Grotte. Liwa richtete sich auf und verständnisvoll mit den Fühlern wackelnd, meinte er:
„Mit anderen Worten, du hast dich schlicht und einfach verguckt.“
Anakos zuckte mit Fühlern. Es war seltsam, wenn jemand ihm das so plakativ vor die Scheren warf. Liwa seufzte und schüttelte den Rest Erde ab, dann stemmte er die Scheren in die Seiten.
„Ich kann es nicht recht glauben, dass du dir fast eine Schere dabei abgebrochen hast, mir das zu sagen. Ich glaube, ich muss an meinem Image als Kolonie-Vorsteher arbeiten.“
Anakos schüttelte die Fühler.
„Ich war mir nicht sicher und es ist alles noch so unglaublich frisch. Außerdem ein Sturmpirat und ein Einsiedlerkrebs mit einem magischen Schneckenhaus, ist das nicht ein bisschen viel für eine Krebs-Kolonie? Ich meine, so als Paar.“
„Du meinst, ob die gesamte Kolonie Windgeschwind als deinen Partner akzeptieren würde? Deshalb bist du erst zu mir gekommen? Wenn ich als Kolonie-Vorsteher deinen Wunsch und deinen Partner akzeptiere, dann würden die anderen das auch tun?“
„So was in der Richtung.“
„Anakos, Anakos, ich sehe ja ein, dass du noch nicht bereit bist, Kolonie-Vorstehender zu sein. Nur weil ein Vorsteher Dinge akzeptiert, heißt das nicht, dass die anderen genauso denken. Es tut mir leid, aber wenn du willst, dass Windgeschwind als dein Partner und damit quasi als Teil der Kolonie akzeptiert werden soll, dann musst du die anderen Krebse und Krebsinnen fragen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass sie ernsthaft etwas dagegen haben. Immerhin hast du unsere Wohngrotten und einigen sogar das Leben gerettet, und außerdem ist Windgeschwind ein zuverlässiger Sturmpirat. Trotzdem gebe ich dir einen Rat. So manches Tier wird ein Problem mit euch beiden haben. Vielleicht werden die euch das Leben schwer machen. Im Extremfall müsst ihr damit rechnen, dass sie euch verjagen, oder gar töten wollen. Es gibt eine ganze Menge Tiere, die haben Vorurteile und verteidigen ihr Territorium mit allem was sie haben.“
Anakos öffnete verunsichert seine Scheren.
„Und was sollen wir dann machen?“
„Wenn ihr ernsthafte Feindseligkeit spürt und erlebt, gibt es nur entweder Flucht oder Kampf. Darauf solltet ihr vorbereitet sein. Ihr beide seid nicht wehrlos, aber wägt gut ab und wenn ihr Hilfe braucht, weißt du wo du mich findest.“
„In Ordnung.“
Anakos klapperte dankbar mit den Scheren, drehte sich um und wollte schon zu Windgeschwind krabbeln, als Liwa ihn noch einmal zurückhielt.
„Bevor du deine Sachen packst. Ich hoffe, du lässt mich wissen, wie deine Reise verläuft? Die Meerwesen haben Berichtsperlen. Du kannst deine Nachricht auf die Perle sprechen, die speichert deine Worte und du kannst sie jederzeit in den Ozean fallenlassen. Die Berichtsperlen schwimmen automatisch zum richtigen Empfänger.“
„Mit anderen Worten, ich soll noch bei Umi vorbei und ein paar Berichtsperlen mitnehmen?“
„Kluger Krebs. Und jetzt geh. Da wartet jemand auf dich.“
Liwa deutete auf Windgeschwind, der neugierig zu ihnen hinüberschaute. Anakos winkte ihm, dann wandte er sich an Liwa und schüttelte ihm beide Scheren.
„Vielen Dank für alles. Wenn wir mit unseren Vorbereitungen fertig sind, dann sage ich Bescheid. Ich will mich noch von allen verabschieden.“
Liwa nickte und gab Anakos einen Schubs.
„Und jetzt ab mit dir.“
Anakos lachte und krebste gemütlich zu Windgeschwind hinüber, der ihn auf seinen Rücken setzte.
„Jetzt geht es erst mal zum Schwarm und danach besprechen wir die Reise.“
Anakos hatte sich schon halb in die Federn gekuschelt. Sein Herz klopfte vor lauter Aufregung, doch er streckte sich noch einmal und winkte Liwa.
„In Ordnung. Bis Morgen!“
„Bis Morgen, ihr beiden.“
Anakos sank in die Federn zurück, Windgeschwind rief Liwa noch ein Bis Morgen! zu, dann machte er kehrt und durchbrach mit einem Satz den Wasserfall. Endlich waren sie auf dem Weg zum Sturmpiraten-Nest.
Fortsetzung folgt
Kommentare
Kommentar veröffentlichen