Schreib-Challenge #52in23 KG Nr. 7
Seid gegrüßt verehrte*r Anonymous!
Hier ist Kurzgeschichte Nr. 7! Diesmal ist es eine in sich abgeschlossene Fantasy Kurzgeschichte, die ein Stück weit eine Vorgeschichte zu meinem Geheim-Projekt darstellt. Ganz ehrlich? Ich bin ziemlich stolz auf das Ding, wenn ich daran denke, dass selbst Leute, die keine Fantasy-Lesende sind, die gut fanden:-). Achtung: Es sind diesmal 1856 Wörter, also nicht ganz so kurz wie sonst:-).
Aber nun: Viel Spaß beim Lesen!!
Alte Freunde
„Warum seid ihr hier, Meister Neskard?“
Die tiefe Stimme, die die goldrot schimmernde Fels-Pagode erfüllte, schien ohne Ursprung zu sein, so, als ob die Pagode selbst gesprochen hätte. In ihrer Mitte erhob sich eine ovale Plattform aus Alabaster, auf der sich eigentlich nur Mitglieder des Erdelementar-Konvents aufhalten durften. Doch jetzt stand dort ein in weiße Roben gehüllter Liedmagier, mit Augen wie Schneekristallen und einem zu allem entschlossenen Blick. Eine schwarze Lyra schwebte direkt neben ihm. Stück für Stück hatte dieser mächtige Magier die Herrschaft über den gesamten Kontinent an sich gerissen und allen Elementaren den Krieg erklärt.
„Verehrtes Oberhaupt, ich bin gekommen, um mir das zu holen, was mir zusteht.“
„Und was sollte das bitte sein, Magier der Lieder?“ kam es zurück.
„Ich bitte euch, ihr wisst ganz genau, was ich begehre. Aber um unserer einstigen Verbundenheit wegen, will ich es klar aussprechen. Ich verlange die Übergabe eures Traumsiegel-Fragments.“
Tiefes Schweigen war alles, was ihm entgegenschlug. Meister Neskard wartete geduldig ab. Er war es gewohnt, dass sein Gegenüber immer etwas länger brauchte um einzusehen, dass es besser war, zu gehorchen. Doch dann geschah etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Für einen Moment verschwamm die Fels-Pagode vor seinen Augen und er spürte, wie etwas sehr Mächtiges aus einer bisher scheinbar unsichtbaren Welt, hinüber, in diese Reale glitt. Dann klärte sich sein Blick und vor ihm manifestierte sich eine, aus goldenen Energiefunken bestehende Gestalt. Meister Neskard hätte schwören können, dass die glitzernden Strudel, die wie Augenhöhlen wirkten, traurig dreinblickten. Die goldene Gestalt überragte ihn um zwei Köpfe, war aber so filigran, dass er den Eindruck hatte, der leiseste Windhauch reiche aus, um sie in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen. Der Erdherrscher, Oberhaupt der Erd-Elementare, seufzte. Es war, als ob die Pagode ihre Krümmung veränderte. Wie Schultern, die enttäuscht herabsanken.
„Ich verstehe... Erst bin ich an der Reihe, bevor ihr euer eigenes Volk verraten werdet.“
„Ihr seid der letzte, der meinem großen Ziel im Wege steht, ja.“
„Alle Elementare dieser Welt endgültig zu vernichten?“
„Ich nenne es, mein Volk, von unerträglicher Tyrannei zu befreien.“
Die Gestalt aus Funken stand erst still, dann erzitterte sie und dröhnende Echos hallten von den Wänden. Der Erdherrscher lachte. Meister Neskard verschränkte angewidert die Arme vor der Brust. Genau diese Arroganz hatte noch jedem Elementar das funkelnde Genick gebrochen. Er wartete bis sich der Erdherrscher beruhigt hatte und sagte:
„Übergebt mir das Fragment und ich verschone euch.“
Sein Gegenüber schwankte kurz, wie eine Flamme, die von einem Windhauch erfasst wurde. Die Funken wechselten von goldgelb über goldorange zu goldschwarz, dann schossen glühende Ranken aus purer Erdenergie aus des Erd-Herrschers Seiten, gruben sich so leicht in den Alabaster hinein, als bestünde dieser nur aus Wasser. Ein greller Rankenkäfig umschloss die beiden ehemals besten Freunde, wie ein goldener Käfig einen Paradiesvogel. Der eben noch traurige Blick, wurde hart und finster, eben noch schimmerndes Gold färbte sich dunkel.
„Ihr seid auf meinem Terrain, Meister Neskard. Glaubt ihr ernsthaft, ihr könntet etwas gegen mich ausrichten?“
Statt einer Antwort, hob der Liedmagier seine Hand. Die Lyra neben ihm leuchtete auf und eine Partitur materialisierte sich. Strahlend weiße Noten auf schwarzem Hintergrund blitzten auf und sirrten in immer schneller werdenden Spiralen um den Liedmagier herum.
„Erkennt ihr dieses Lied, Erdherrscher?“
„Die Melodie der Alles verschlingenden Sonne? Ihr habt den Verstand verloren, Meister Neskard. Wollt ihr den ganzen Kontinent zerstören oder gar die Unsterblichen auf den Plan rufen?“
„Oh, ich muss euch korrigieren. Ich zerstöre nicht den ganzen Kontinent. Höchstens einen Teil, wenn das notwendig ist, um die Meinen zu befreien. Sollen sich die Unsterblichen ruhig zeigen. Das Traumsiegel wird mich legitimieren, ich habe keine Angst.“
„Dafür müsst ihr das Siegel erst bekommen, mein alter Freund.“
Ein Zittern durchlief des Erdherrschers Gestalt. Angriffsbereite Dornenspeere schoben sich aus seinem Rücken, bildeten hinter ihm einen drohenden Reigen und richteten sich auf Meister Neskard. Dieser lächelte triumphierend. Endlich zeigte dieser scheinheilige Elementar sein wahres Gesicht.
„Ich sehe, ihr habt euch also entschieden, Erdherrscher. Ich werde euch beweisen, dass ich der einzig legitime Machthaber dieser Welt bin. Spürt die Macht des Siegelvirtuosen, Arcanum Solaris!“
In dem Augenblick als die Formel erklang, zog sich der beschworene schwarze Hintergrund der Partitur zu einem Stecknadel großen Punkt zusammen, während die Noten sich davon schlagartig lösten, schneller und schneller rotierten, bis sie einen weißglühenden Ball bildeten. Meister Neskard machte eine Geste und der glühende Ball dehnte sich blitzschnell aus. Gleichzeitig schossen die Dornenspeere des Erdherrschers wie verfluchte Blitzte hervor und durchdrangen den gleißenden Ball des Liedmagiers.
„Ihr seid zu langsam, alter Freund.“
Meister Neskard wich den Dornenspeeren geschickt aus, sein Notenball verschluckte den Erd-Herrscher vor ihm, sprengte dessen Rankenkäfig. Die Alabaster-Plattform wankte und ächzte als Erde und Steine auf die beiden Gegner Meister Neskard herabprasselten, dann erklang ein unmenschlicher Schrei die Fels-Pagode und für einen Moment verlor Meister Neskard die Balance. Sein Notenball erlosch. Die plötzliche Dunkelheit und Stille marterten seine Sinne. Er brauchte Licht. Sofort. „Arcanum Lumen.“
Seine Lyra erschien samt einer mittelgroßen Lichtkugel direkt neben ihm, so als hätte sie nur darauf gewartet, wieder gebraucht zu werden. Langsam drehte sich Meister Neskard im Kreis, leuchtete und lauschte in die Finsternis hinein. Die Lyra folgte seinen Bewegungen, doch er schien allein zu sein. Keine Erdenergie, keine goldenen Funken, keine aufragende Gestalt. Aber vor ihm auf dem Boden blitzte etwas auf. Er bückte sich danach, hob den Gegenstand auf und betrachtete das goldene Fragment mit dem Symbol der Erd-Elementare darauf. Lächelnd nahm er den Beutel, der an seinem Gürtel hing, verstaute das Fragment und nutzte einen magischen Festzurrer. „Arcanum Claudere“, flüsterte er. Dann verstärkte er den Lichtzauber, stieg von der Plattform hinunter und achtete darauf, ob es noch irgendwo Überreste magischer Erdenergie gab. Doch außer zerrissenem Gestein fand er nichts. Alles blieb still. So still, wie es sich für ein Grab gehörte. Meister Neskard verzog das Gesicht und flüsterte in die Stille hinein:
„Was bedeutet schon Freundschaft, Erdherrscher, angesichts absoluter Macht? Nichts. Schlimmstenfalls trübt sie die Urteilskraft und schwächt die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und schritt, die Hand an seinem Beutel, den Weg zurück, den er gekommen war. Sein strahlendes Instrument wies ihm dabei die Richtung.
***
Als der Liedmagier längst den großen Silberlinden-Wald passiert hatte, erschütterte ein Beben die Fels-Pagode tief unter der Erde. Ein Riss lief im Zickzack über das Erdreich, spaltete den Fels. Ein tosendes Brüllen, wie das, eines waidwundenen Biestes ließ Erde, Felsen und Sand von der Decke regnen. Rotes Magma schoss in riesigen Fontänen aus dem gespaltenen Boden. Der Geruch uralter Glut und Ahnen-Feuer stieg auf, das Brüllen wurde zu einem Heulen, klang immer mehr nach einem Klagelied. Die Erschütterungen nahmen kein Ende, bis sich aus den Tiefen des glühenden Erdkerns ein Wesen erhob, dass der Kontinent so noch nie gesehen hatte. Ein rot-goldenes, nach Rache dürstendes Monster, mit feurigen Tentakeln und pechschwarzen, wie tiefe Brunnenschächte wirkenden Augenhöhlen. Es schlang seine Tentakel um Gestein, Felsen, die ganze Pagode und das Beben verstummte schlagartig. Fallendes Gestein blieb in der Luft hängen, als wäre die Zeit stehengeblieben und die Magma-Fontänen versanken blubbernd und zischend im Erdreich. Eine unheimliche Stille machte sich breit, während das Monster sich wie eine Raupe in Erde und Fels verpuppte. Die eben noch gleißend helle Fels-Pagode fiel zurück in absolute Dunkelheit. Das Monster sammelte Kraft.
***
Meister Neskard erreichte Grub vor dem Morgengrauen, eilte durch die noch stillen Straßen, während seine Finger wieder und wieder über den Beutel mit dem Traumsiegel-Fragment strichen. Er hatte gewonnen. Gleich morgen würde er auf den Stufen des öffentlichen Forums mit den Vier Großen der Akademie die Erneuerung, nicht nur des Landes, sondern des gesamten Kontinentes verkünden. Zum ersten Mal nach langer Zeit spürte er so etwas wie Wärme in sich aufsteigen. Alle, auch die hartnäckigsten, liberalen Reformisten, würden nun vor ihm niederknien. Er folgte der gewundenen Hauptstraße, über den Marktplatz, näherte sich der einzigen Karderschmiede für Liedmagie. Die kühle Luft roch nach Herbst und Nebelschwaden stiegen aus der Kanalisation, stoben auseinander, als Meister Neskard um die Ecke bog und die Hängenden Gärten der Akademie betrat. Er hatte jedoch keinen Blick für die Schönheit der mit Weinlaub umrankten Säulen und uralten Nussbäume. Seine Finger krallten sich in den Beutel, während er den, durch Ginsterbüsche verborgenen Weg zur Verbotenen Bibliothek entlang eilte. Seine Lyra folgte ihm wie ein treues Tierchen. Keuchend erklomm er die Stufen zu seinem Arbeitszimmer und verschloss die Pforte hinter sich. Seine Gehilfin war, bei allen Pfoten der Unsterblichen, so umsichtig gewesen, das Feuer im Kamin anzumachen, bevor sie nach Hause gegangen war. Ruß-Geruch vermischte sich mit dem von altem Pergament und Tinte. Meister Neskard nahm seinen Beutel und ließ sich in den Sessel vor dem Kamin fallen. Seine Lyra sank auf einen Beistell-Tisch und ihr Schimmern erlosch. „Arcanum Solvere“, murmelte er.
Die Schnüre lösten sich, der Beutel fiel auseinander und gab den Blick auf den Schatz frei. Der Liedmagier griff nach dem Traumsiegel-Fragment, hielt es mit einem zufriedenen Lächeln hoch und betrachtete das verschlungene Erd-Symbol. Doch dann gefror er.
„Was…?!“
Das Fragment erzitterte und zerfiel so schnell in seiner Hand, dass Meister Neskard einen Moment brauchte, um zu realisieren, was geschehen war. Einfacher, heller Sand rieselte ihm durch die Finger auf den Schoß, bildete erst einen kleinen Hügel auf seinem Gewand und löste sich schließlich ganz auf. Seine Hände waren leer.
„Nein!!“
Sein markerschütternder Schrei zerriss die morgendliche Stille der Akademie.
***
Zur selben Zeit, zerbrach tief unter der Erde in der Fels-Pagode, der ruhende Kokon und etwas landete sachte auf dem Boden. Erneuerte Erdenergie warf ihre jungen Funken in die Dunkelheit, Staub und Sand legten sich langsam und enthüllten eine kniende Gestalt. Langsam erhob sich der Ritter und öffnete die Augen. Karmesinrote Pupillen, von wirbelnden Goldfunken erfüllt, durchdrangen die Finsternis. Stolz und mächtiger denn je, aus dem letzten, vergangenen Hauch Erdmagie wiedergeboren, hielt er in der rechten Hand ein silbernes Schwert und in der Linken eine schimmernde Kristall-Kugel. Darin schwebte ein goldenes Fragment auf dem das Herrscher-Symbol der Erd-Elementare sichtbar wurde. Das Fragment löste sich aus der Kugel, schwebte einmal um den Ritter herum, ließ sich dann auf dem Harnisch nieder und verschmolz mit diesem. Der Ritter hob die übriggebliebene Kristall-Kugel, die nun knapp über seiner Handfläche schwebte, hoch und seine dröhnende Stimme ließ die Wände der Pagode erbeben.
„Möge der Zorn der Elementare den ganzen Kontinent treffen. Erhöre den Wunsch des letzten Herrschers der Erde und bestimme das Instrument der Rache, Arcanum Umbra! Dunkle Macht, ich beschwöre dich!“
Violett-schwarze Flammen schlugen aus der Rüstung, züngelten Beine und Hüfte empor, legten sich um Rücken, Schultern und Nacken. Schließlich wanden sie sich um des Ritters linken Arm und schlugen nach der silbernen Kugel. Für einen kurzen Moment erschien dort das Bild eines Liedmagiers: Dunkelrotes, fast schwarz wirkendes, langes Haar, grasgrüne Augen, ein Blick, der tiefsitzenden Schmerz verriet und eine schlanke, sehnige Hand, die eine silbrig schimmernde Laute spielte. Die dunkle Umbra-Macht loderte auf, zischte, stob nach Norden, hinaus aus der Pagode, Richtung Silberlinden-Wald. Der Ritter lächelte und setzte sich in Bewegung. Seine Mission war klar. Er würde Augenzeuge sein und notfalls eingreifen, sollte das erwählte Instrument der Rache versagen. Der Feldzug der Elementare hatte begonnen und niemand würde sie aufhalten können, nicht einmal die Unsterblichen.
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