Update: Die Legenden von Grünhain - Kleefee und Kaninchenritter Kapitel 3.1.
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Heute präsentiere ich Kapitel 3.1 meines Projektes "Die Legenden von Grünhain - Kleefee und Kaninchenritter".
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Viel Vergnügen beim Lesen!
Kleefee und Kaninchenritter - Die Legende von Grünhain
Kapitel 3
Tinka, Teil 1
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Ich hatte keine Zeit mehr über Mutter und mich nachzudenken, denn mein Kampftraining und der Unterricht in Geschichte, Handel und Strategie nahmen mich komplett in Beschlag. Ich sah Tinka dementsprechend selten, beim Ankleiden morgens und beim Entkleiden abends, doch kam immer irgendjemand oder irgendetwas dazwischen und störte uns. Wir hatten seit dem Ball kein richtiges Gespräch mehr miteinander geführt und mir fehlte das sehr. Mutter schien Tinka hin und her zu scheuchen, vielleicht um ihre Wut im Stillen an ihr auszulassen, aber Vater hielt sein Wort: Tinka wurde nicht für den vermasselten Debütantinnen - Ball verantwortlich gemacht. Zwar tuschelte man im Schloss hier und da auf den Fluren hinter vorgehaltener Hand, aber mir war das gleich. Sollten sie sich doch alle das Maul zerreißen, ich ließ mich nicht verbiegen.
Tief in meinem Inneren spürte ich jedoch, dass irgendwann die Zeit der offenen Konfrontation mit meinen Eltern kommen würde und der Hüter stehe mir bei, wenn ich darauf nicht vorbereitet war. Also stürzte ich mich in meine Aufgaben und Pflichten und spielte ein paar Tage lang, die vorbildliche Prinzessin. Mutter und ich sprachen nicht mehr als nötig miteinander, doch erwischte ich sie eines Morgens dabei, wie sie aus ihrem Fenster auf den Burghof herunterschaute um mir bei meinem Kampfhummel-Training zu zuschauen. Doch nach drei weiteren Tagen waren wir immer noch distanziert und es lag eindeutig nicht an mir. Ich sah Mutter und Vater kaum noch. Doch ich war zu beschäftigt und nahm nur am Rande wahr, wie sich allmählich eine merkwürdig düstere Stimmung im Schloss ausbreitete, bis Kommandant Leafus mich nach ein paar besonders harten Schwertübungen hastig beiseite nahm, während die anderen Soldaten weiter machten.
„Prinzessin, habt ihr schon die Neuigkeiten gehört?“
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn.
„Welche? Ich habe den König und die Königin seit ein paar Tagen nicht mehr gesprochen.“
Leafus runzelte die Stirn.
„Sie haben euch nichts gesagt?“
„Nein. Sollten sie denn?
„Mir steht es selbstverständlich nicht zu, unseren Majestäten vorzuschreiben, was sie mit ihrer Tochter besprechen sollten...“
„Komm zum Punkt.“
„Wie ihr wünscht.“
Leafus räusperte sich und bugsierte mich außer Hörweite. Er seufzte und steckte sein Übungsschwert weg:
„Bitte erteilt mir die Erlaubnis mit euch offen sprechen zu dürfen.“
„Erteilt.“
„Finara, ich weiß, dass du kein kleines Mädchen mehr bist und dass du in den letzten zwei Jahren unglaubliche Fortschritte gemacht hast. Aber um ehrlich zu sein: Ich bin mir nicht sicher, ob deine Fähigkeiten ausreichen werden.“
Meine Augen wurden groß. Wo kam das denn auf einmal her?
Doch er gebot mir, ihn nicht zu unterbrechen.
„Ich weiß auch ganz genau, was du jetzt sagen willst und nein, du liegst völlig falsch. Nicht du bist das Problem, sondern ich. Ich werde dich bald nicht mehr unterrichten können. Dabei gibt es noch so viel, was ich dir beibringen muss ...“
Jetzt unterbrach ich ihn trotzdem.
„Was soll das heißen? Was meinst du mit, du kannst mich nicht mehr weiter unterrichten?“
Er legte mir die Hand auf die Schulter und in seinem Lächeln lag eine Spur Wehmut.
„Finara, merk dir nur eins: Niemals, niemals, darfst du schlecht über deine Eltern denken. Sie wollen nur das Beste für dich. Und ich auch.“
Ich starrte ihn verständnislos an. Dafür wollte er außer Hörweite sein?!
Leafus nickte bedächtig und fuhr fort:
„Doch das Wichtigste ist: Lass dich, egal für wen oder was du dich auch in deinem Leben entscheiden wirst, nicht von deinen eigenen Vorurteilen blenden. Bleib neugierig, stell weiter Fragen, befrage auch dich immer wieder selbst und vor allem mache dir immer ein eigenes Bild. Hör anderen zu und höre gleichzeitig auch auf dich selbst.“
Ich schwieg, doch nach einer Weile hörte ich mich zögerlich fragen:
„Kommandant? Was soll diese Ansprache? Ihr hört euch so an, als würden wir uns nie wieder sehen?“
Leafus schwieg. Ich trat unruhig von einen Fuß auf den anderen.
„Wozu sagt ihr mir das alles? Habe ich irgendwas Wichtiges nicht mitbekommen? Ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Tagen etwas auf den Konferenzen versäumt zu haben. Wenn meine Kampffähigkeiten nicht ausreichen: Wofür reichen sie nicht aus? Ich kann gegen fünf Gegner mit unterschiedlichen Waffen bestehen, die mich gleichzeitig angreifen.“
Leafus schüttelte hastig den Kopf und verfiel wieder in formelles Sprechen.
„Habt ihr mir nicht zugehört? Eure Kampffähigkeiten sind hervorragend und doch habe ich euch noch nicht beigebracht, was einen wahrer Kämpfer, eine wahre Kämpferin ausmacht.“
„Ich höre.“
„Eine wahre Kämpferin kennt immer ihre Grenzen.“
„Aber ist das nicht eher eine Binsenweisheit?“
„Ja und nein. Vielleicht erscheint es auf den ersten Blick so, aber habt ihr euch tatsächlich schon gefragt, ob ihr in der Lage wäret, einen mehrere Blütenwechsel langen Stellungskrieg im Schlamm ohne Schlaf und genug zu Essen, zu ertragen?“
Ich schwieg. Nein, das hatte ich in der Tat noch nicht. Wieso auch?
Da plötzlich dämmerte es mir.
„Die Falken!“, platzte ich heraus.
Ich schlug mir schnell die Hand vor den Mund. Jetzt verstand ich Leafus Geheimnistuerei.
„Wollt ihr mir etwa damit sagen, Mama und Papa bereiten sich auf einen Krieg vor?“
„Kluges Mädchen. Ich muss mir um unser Volk keine Sorgen machen.“
Ich biss mir auf die Lippen. Das erklärte, warum sie seit nunmehr einer Woche herum hasteten und flüsterten und nicht mehr wirklich mit mir sprachen. Sie nahmen wahrscheinlich an, dass ich noch sauer wegen der Verlöbnis-Verkündung war und hatten dies genutzt um mir nicht erklären zu müssen, dass statt ausgiebigen Hochzeitsvorbereitungen das genaue Gegenteil anstand. Aber so konnten sie mich doch nicht behandeln! Einfach Kommandant Leafus vorschicken, damit er eventuell als Erster meinen Frust abbekommen würde...
Ich hätte mir beinahe mit der Hand gegen die Stirn geschlagen. Und hoffnungsvoller als ich beabsichtigte, fragte ich:
„Aber was wird dann aus meiner arrangierten Hochzeit? Fällt die aus?“
„Eure Eltern haben euch auch darüber nicht informiert? Sie werden die Hochzeit vorziehen. Auf keinen Fall soll eure Verbindung gefährdet werden.“
Ich dachte, ich hätte mich verhört.
„Vorziehen?!“
„Ja. Ihre Majestäten wollen doch in dieser Situation nicht dem Glück ihrer einzigen Tochter im Weg stehen.“
Wenn Leafus geahnt hätte, wie zynisch das Ganze in meinen Ohren klang, wäre er auf der Stelle im Erdboden versunken. Ich verzog das Gesicht. Dann warf ich mein Trainingsschwert so hart zu Boden, dass es nur so schepperte.
„Das ist ja wohl ein Scherz!“
„Was meint ihr Prinzessin?“
„Was ich meine: Seid ihr dumm?! Meine Eltern machen mobil, aber sie wollen mich unbedingt noch vor einer Kriegserklärung verheiraten?! Seid ihr denn jetzt alle völlig durchgehummelt?“
Ich kochte und Leafus wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Beschwichtigend hob er die Hände.
„Prinzessin, eure Hoheit, Finara. Bitte beruhigt euch. Was sollen denn die anderen Soldaten hier von euch halten.“
„Nichts könnte mir gerade egaler sein! Das ist doch nicht zu fassen. Kein Wunder, dass sie mir ständig ausweichen.“
Ich schnaubte, drehte mich um und stürmte davon. Ich hörte noch wie Kommandant Leafus meinen Namen rief, doch ich tat so, als hätte ich ihn nicht gehört. Den Rest des Tages verbrachte ich mit entsetztem Kopfschütteln bei den Kampfhummeln auf dem Blütenhügel und verkroch mich schließlich in meinem selbstgebauten Unterschlupf, bis Tinka mich zum Abendessen rief.
Vor Tinka konnte ich mich nicht verstecken. Sie war wie ein Kompass, der auf mich geeicht war und egal wo ich mich aufhielt, Tinka fand mich immer. Als die Sonne langsam hinter den weit entfernten Fichtenwipfeln verschwand, die ich bei gutem Wetter sogar von meinem Unterschlupf aus sehen konnte, hörte ich ihre resoluten Schritte auf den losen Steinplatten vor dem Eingang. Ein paar Sekunden später klopfte es vorsichtig am Holzrahmen. Ich schwieg, doch Tinka kam einfach herein. Sie lächelte kurz und schüttelte sich ein wenig Blütenstaub aus ihren Haaren.
„Ich wusste, dass ihr hier seid. Eure Majestät sucht schon überall nach euch.“
„Ach ja? Kann ich mir gar nicht vorstellen.“
„Wie meint ihr das?“
„Tinka, kann ich dich was persönliches Fragen?“
Sie hielt überrascht inne, doch dann nickte sie.
„Aber natürlich.“
„Tinka, wir sind doch gar nicht Zofe und Prinzessin. Wir sind doch Freundinnen, nicht wahr?“
Sie nickte.
„Wenn wir Freundinnen sind, können wir uns doch alles erzählen, oder?“
Sie hörte gar nicht mehr auf zu nicken. Ihre Zöpfe wippten dabei auf und ab und ich fühlte, dass ich lächeln musste.
„Ich muss dir was erzählen, Tinka. So von Freundin zu Freundin.“
Jetzt blinzelte sie kurz und beäugte mich etwas misstrauisch. Dann nahm sie ihren Umhang ab, setzt sich auf den Wurzelstumpf und sah mich erwartungsvoll an.
„Was gibt es denn so Bedeutendes, dass es nicht bis nach dem Abendessen warten kann?“
Ich holte tief Luft und erzählte ihr, was ich von Kommandant Leafus erfahren hatte. Wie meine Eltern hinter den Kulissen Mobil machten, aber nicht im Traum daran dachten, die Hochzeit abzusagen. Während ich erzählte, ertappte ich mich dabei, dass ein paar meiner Reaktionen vielleicht doch etwas kindisch waren, doch Tinka unterbrach mich kein einziges Mal. Als ich geendet hatte, sah sie mich wortlos an, dann stand sie auf und fing an auf und ab zugehen. Sie stützte dabei ihr Kinn auf die Hand.
„Finara, vielleicht willst du das jetzt nicht hören, aber du solltest dringend mit deinen Eltern reden.“
„Ach ja?“
„Ja.“
„Aber warum denn? Sie haben doch schon alles über meinen Kopf hinweg beschlossen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich noch mit ihnen reden soll. Du weißt doch, wie man in den Fichtenhain hinein ruft, so schallt es heraus. Warum soll ich denn den ersten Schritt machen? Sie sind doch diejenigen, die es verhummelt haben.“
Ich klang selbst in meinen eigenen Ohren stur und trotzig. Tinka lächelte jedoch nur, dann kam sie auf mich zu und umarmte mich. Sie roch nach Sonnenblumen, Klee, Blütenstaub, so vertraut, so warm. Ich atmete ihren Duft tief ein und spürte dabei wie mein Zorn gleichzeitig nachließ. Nach einer Weile ließ sie mich los und sah mich an.
„Finara, ich will ganz ehrlich zu dir sein. Ich habe keine Ahnung von Politik und dergleichen und ich will auch nichts darüber wissen. Ich bewundere dich für deine Neugierde und deine unglaubliche Kraft, diese ganzen komplizierten und unheimlichen Aufgaben anzugehen und zu bewältigen. Und da willst du mir tatsächlich weiß machen, dass du für dieses Problem keine Lösung findest? Verzeih, aber das nehme ich dir nicht ab. Iss etwas. Dann mache ich dir nach dem Essen ein Bad fertig, schlafe eine Nacht drüber und morgen wird dir schon etwas einfallen. Ich kenne dich doch! So zu hadern, ist doch überhaupt nicht deine Art. Also raus mit der Sprache: Wo siehst du das eigentliche Problem?“
Ich verharrte.
„Was meinst du mit das eigentliche Problem? Sie haben mich angelogen, mich wie ein kleines Kind behandelt. Wenn sie mich glücklich verheiraten wollten, sollten sie mich doch meinen zukünftigen Partner selbst wählen lassen und nicht irgendeinen dahergelaufenen Rammler für mich bestimmen. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wie er aussieht! Und das alles während sie parallel einen Krieg planen?! Tinka, sei jetzt bitte ehrlich zu mir, was würdest du denken, wenn das deine Eltern wären?“
Tinka spitzte die Lippen und zog ihre Nase kraus.
„Nun ja, ich würde zumindest alle Fakten haben wollen.“
Ich blinzelte. Irgendwas in ihren Worten ließ mich innehalten.
„Alle Fakten?“
Tinka machte eine triumphierende Geste.
„Genau. Alle Fakten.“
Ich kratzte mir den Kopf.
„Beim Hüter. Ja, stimmt, du hast wie immer Recht. Ich kenne nicht alle Fakten. Das bedeutet, ich habe noch kein vollständiges Bild von der ganzen Angelegenheit, nur das, was Kommandant Leafus mir ...gesagt ...oh.“
„Genau. So wie du das erzählt hast, hat er vermutlich von deinen Eltern den Befehl erhalten, zuerst mit dir zu reden. Aber du hast eben deine Eltern noch nicht angehört, dementsprechend fehlen dir die Fakten.“
„Tinka! Wenn ich dich nicht hätte! Ich war wirklich dumm... gut, dass nur du mich so gesehen hast. In Ordnung, ich werde versuchen, mit ihnen zu reden. Wie war das noch gleich mit Essen und Baden?“
„Aber gerne doch.“
Fortsetzung folgt
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