Update: Die Legenden von Grünhain - Kleefee und Kaninchenritter Kapitel 2

Seid gegrüßt, verehrte (-r) Anonymous!

Heute präsentiere ich das 2. Kapitel meines Projektes "Die Legenden von Grünhain - Kleefee und Kaninchenritter". 

Falls es hier Leser*innen gibt, die Feedback geben wollen, gerne bitte per Mail an haschi1979@web.de. 

Viel Vergnügen beim Lesen!


Kapitel 2

Habe ich nicht etwas Besseres verdient?!

Ich saß auf meinem Bett, hatte das Kleid in eine Ecke gepfeffert, ein Buch genommen und blätterte gedankenverloren darin herum. Ich hatte keine Ahnung mehr, was nach dieser ungeheuerlichen Ankündigung meiner Eltern geschehen war. Ich kam erst jetzt wieder zu mir und schüttelte fassungslos den Kopf. 

Sie haben mich wirklich verlobt und das vor dem ganzen Hofstaat publik gemacht? OHNE mich vorher zu fragen?

Ich war nicht nur empört darüber, ich war regelrecht entsetzt. Meine Eltern hatten mich in wichtigen Dingen noch nie übergangen. Seit zwei Jahren nahm ich an offiziellen Sitzungen zu den Regierungsgeschäften teil und wurde nach meiner Einschätzung und Meinung gefragt. Dass sie mich jedoch in dieser Angelegenheit wie ein kleines Kind behandelten, passte ganz und gar nicht dazu . Es fühlte sich falsch an. Andererseits waren politische Hochzeiten nicht wirklich außergewöhnlich und immerhin war ich die Prinzessin. Mir war klar, dass mir das irgendwann bevorstehen würde. Aber jetzt schon? In einem halben Jahr? Und ausgerechnet Prinz Weißfell, dieser lethargische, tollpatschige Langweiler? Nur dunkel konnte ich mich daran erinnern, dass wir uns irgendwann einmal als Kleinkinder getroffen hatten. Ich versuchte mir die Erinnerung zurück ins Gedächtnis zu rufen, aber irgendwie kam nur ein verschwommener Eindruck von Wortkargheit, weichen aber immer nur nach hinten gelegten Ohren und ängstlichem hin und her hoppeln in den Sinn. Kein Rückgrat, keine eigene Meinung, keine Stärken. Ich zog die Stirn kraus und starrte auf eine Abbildung in dem Buch auf meinen Knien ohne diese ernsthaft wahrzunehmen. Na ja, was sollte man schon von diesen faulen Rammlern erwarten? Werte? Moral?

Habe ich nicht etwas Besseres verdient?! Zum Beispiel einen stolzen, aufrechten Krieger, mit genug Wums und Rückgrat um gegen die immer aggressiver werdenden Fichtenherrscher zu bestehen? Selbst Tinka hat mehr Durchsetzungsvermögen! Lieber würde ich sie heiraten!

Ich warf das Buch achtlos auf den Boden und rollte von einer Bettkante zur anderen. Schließlich blieb ich liegen und blickte zu dem Baldachin empor, in dem das Bild des Blütengottes, dem Hüter der Feen, eingewirkt worden war. Das milde Lächeln und die sanften Züge wirkten mit einem Mal steif und gefroren. Ewigkeit bedeutete Stagnation, nicht Wandel, schoss es mir durch den Kopf. Ich richtete mich auf und sprang vom Bett, dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch und öffnete mein Tagebuch. Ich nahm meinen Schreibdolden und gerade als ich ansetzen wollte, klopfte es an der Tür. Doch statt zu antworten fing ich an zu schreiben.

„Finara, Liebes...ich weiß, dass du da bist. Lässt du mich rein?“

Nein, Mutter, ich habe keine Lust mit dir zu reden...

Selbst meine Gedanken klangen trotzig.

„Finara? Bitte...“

„...Komm rein, wenn du unbedingt musst.“

Mutter machte die Tür auf, blieb aber in der offenen Tür stehen. Sie war sichtbar verärgert, aber auch pikiert und nervös.

„Kind, was soll das? Du kannst doch nicht einfach so in deinem Zimmer verschwinden! Was sollen denn die Gäste denken? Jetzt komm wieder mit in den Saal, dein Debütantinnen - Ball fängt gleich an und dein Vater besteht auf einen Tanz mit dir... aber ... wo hast du dein Kleid?“

Ich bemerkte, wie ich mit jeder Frage innerlich immer stärker brodelte.

„Ich tanze in meiner Uniform.“

„Finara, sei vernünftig. Das ziemt sich nicht.“

„Dann komme ich nicht mit und ihr könnt ohne mich tanzen.“

„Jetzt benimmst du dich aber kindisch.“

„So, tue ich das? Das könnte etwas mit dem Prinzip Ursache - Wirkung zu tun haben.“

„Fräulein, dein Ton gefällt mir nicht.“

Meine Mutter seufzte, drehte sich um und schloss die Tür. Dann setzte sie sich auf die Bettkante und nestelte an ihrem Kleid. Das tat sie immer, wenn sie verlegen war.

„So. Ich verstehe ja, dass du nichts vom Protokoll hälst, aber wir haben unserer Verpflichtungen und du bist jetzt in dem Alter, in dem du schon wichtige Entscheidungen zu treffen hast...“

Ich unterbrach sie.

„Ich soll also wichtige Entscheidungen treffen? Dann solltet ihr mich das auch faktisch tun lassen und Dinge nicht über meinen Kopf hinweg beschließen. Ich habe mich nicht dazu entschieden einen dahergelaufenen Rammler zu ehelichen und du verlangst jetzt von mir gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Es tut mir leid, dass so sagen zu müssen: Aber ohne mich. Ich werde nicht mit runter kommen. Das habt ihr euch selbst zu zuschreiben.“

Ich hatte nicht bemerkt, dass ich immer lauter wurde. Ich hatte mit meiner Mutter schon lange nicht mehr gestritten.

Ihr Blick wurde hart. Ruckartig stand sie auf.

„Prinzessin Finara Doldenstaub! Es reicht. Wie sprichst du überhaupt mit mir? Das erlaube ich nicht. Du solltest wissen, wo dein Platz ist.“

Ich starrte sie an und knirschte mit den Zähnen.

„Hör gut zu, Töchterchen. Dank dem Großen Hüter auf Knien, dass ich noch weiß, was es bedeutet jung zu sein. Aber bedenke, wer und was du bist. Und...“

Sie macht eine Kunstpause und fügte hinzu:

„Und vor allem, was du sein wirst. Du wirst einmal über das Kleevolk herrschen und unseren Frieden sichern. In Grünhain bedeutet das, gegen die Fichtenherrscher gewappnet zu sein, koste es was es wolle. Das Kleevolk ist auf das Kaninchenvolk angewiesen und umgekehrt, das solltest gerade du wissen. Verbindungen und Bündnisse sichern unsere Existenz. Und ganz abgesehen davon...“

Sie trat auf mich zu und legte mir die Hand auf die Schultern. Ich war jedoch zu wütend, als dass ich ihr indirektes Friedensangebot annehmen konnte.

„Das weiß ich und ich bin mir meiner Position mehr als bewusst. Aber ausgerechnet in diesem Punkt, habt ihr mich einfach übergangen. Das verzeihe ich euch nicht so schnell. Ihr mutet mir die Hofintrigen und die Diplomatie in all ihren brutalen Facetten zu, aber wenn es um meine politische Heirat geht, soll ich plötzlich kein Mitspracherecht haben? Das ist doch nichts weiter als Doppelmoral. Ich hätte dich und Vater für vernünftiger gehalten.“

Die Hand auf meiner Schulter erstarrte und zog sich zurück.

„Wir dachten, dass es eine tolle Überraschung wäre.“

„Eine Überraschung war es … ja und was für eine! Meinst du nicht, dass so etwas alles andere als geeignet für eine Überraschung ist? Und dann auch noch vor der ganzen versammelten Mannschaft. Wie konntet ihr mich nur so bloßstellen.“

„Aber, aber Kind beruhige dich. Mir ist tatsächlich nicht ganz klar, warum du dich über die Bekanntgabe so aufregst. Erstens müsste dir das doch klar gewesen sein. Immerhin kennt ihr euch doch schon von Kindesbeinen an und zweitens dürftest du doch wohl wissen, dass wir Königinnen nicht irgendwelche dahergelaufenen Feen ehelichen können. Dein Vater und ich sind jetzt über dreißig Blütenzyklen miteinander verheiratet. Auch unsere Ehe gehört zu den notwendigen Arrangements dieser Welt. Nun, zugegeben wir hatten das Glück, dass wir schnell eingesehen haben, dass wir nur voneinander profitieren können. Der Rest ergab sich von selbst und das Ergebnis bist du. Ich bin enttäuscht, dass du uns nicht vertraust...“

„Aha, Vater ist also ein verzaubertes Kaninchen“, meine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Kein Wort mehr. Versuch mir nicht ein schlechtes Gewissen einzureden, nur um vom Thema abzulenken.“

Ich sprang auf und warf die Hände in die Luft.

„Das meine ich. Wenn dir mein Verhalten nicht passt, wirst du immer so weinerlich und moralisierend. Das hilft nicht um ein Problem angemessen zu diskutieren und vor allem zu lösen. Deswegen sage ich dir hier und jetzt meine Meinung ins Gesicht: Ich werde diesen faulen Rammler nicht ehelichen. Ich werde heute Abend nicht hinuntergehen um lächelnd mein Debüt zu absolvieren. Ihr habt eine Grenze überschritten, jetzt lebt auch mit den Konsequenzen.“

„Dann lässt du mir leider keine andere Wahl.“

Meine Mutter straffte sich, klatschte zwei Mal laut in die Hände und Tinka kam herein. Scheinbar hatte sie draußen vor der Tür gestanden. Das war also Mutters Trumpfkarte. Tinka warf mir einen kurzen, nervösen Blick zu und machte einen Knicks.

„Tinka, zieh meiner Tochter ihr Kleid an. Dann ruf nach den Wachen damit sie sie hinunter bringen. Notfalls mit Gewalt.“

„Lass Tinka aus dem Spiel! Wie kannst du es wagen?“ 

Doch Mutter sah mich nicht einmal mehr an, sondern schritt hocherhobenen Hauptes aus der Tür. Dann drehte sie sich jedoch noch einmal um.

„Du hast fünf Blütenumdrehungen um die Prinzessin fertig zu machen. Nicht eine länger.“

Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.

Ich stand da, wie betäubt, aber in mir loderte etwas, was ziemlich nah an Hass grenzte.

Ich musste wohl schrecklich aussehen, denn Tinka beäugte mich nur vorsichtig von der Seite, bevor sie das Kleid, das ich achtlos weggeworfen hatte, aufhob und mir sachte aber geschickt über den Kopf zog. Ich ließ es geschehen. Dieser Geburtstag war ein Desaster und Mutters Verhalten verstörte mich zutiefst. Eigentlich passte das alles hinten und vorne nicht. Mutter war zwar gut darin anderen ein schlechtes Gewissen einzureden, aber sie machte das nur, wenn sie mit ihren Argumenten nicht angehört wurde. Und ich hatte sie doch angehört und dann erst meine Meinung dazu gesagt. Es war nicht ihre normale Reaktion, es war merkwürdig angestrengt und wirkte sogar fast verzweifelt.

„Hier stimmt irgendetwas nicht...“

„Was stimmt nicht, Prinzessin?“

„Mutters Verhalten stimmt nicht. Sie ist normalerweise nicht so... so fies.“

„Es steht mir nicht zu, ihre Majestät zu beurteilen.“

„Doch Tinka, eigentlich müssten gerade Leute wie du über die Herrscher urteilen. Aber das gehört jetzt nicht hierher. Hier, mach schnell. Ich will nicht, dass du noch weiteren Ärger wegen mir bekommst.“

„...“

Tinka schwieg und zupfte geschwind hier und da an mir und an dem Kleid. Dann brachten ihre geschickten Finger meine Haare und mein Gesicht in Ordnung. Schwungvoll zog sie meine Lippen nach, puderte meine Brauen über und hielt mir einen kleinen Handspiegel hin.

„Ihr seid wunderschön, Prinzessin.“

„Ach, hör auf. Nur weil die Farbe nachhilft.“

„Nein, die Farbe unterstreicht nur das, was schon da ist.“

„Tinka, du hast es nicht nötig mir Honig ums Mau zu schmieren.“

„Zugegeben, ihr gefallt mir in eurer Uniform auch besser als in diesem Kleid. Aber Pflicht und Protokoll rufen.“

Ich winkte ab und bot Tinka meine Arm an.

„Gehen wir?

Tinka legte verlegen ihre Hand auf meinen Arm und nickte.

Zusammen traten wir auf den Flur und stolzierten an dem armen Wachmann vorbei, der nicht recht wusste, wo er hinschauen sollte. Als ich ihm zunickte, salutierte er nur steif, brachte aber kein Wort heraus. 

Tinka musste kichern und meinte: „Seht ihr, ihr seid so schön, dass das Mannsvolk nicht weiß, was es sagen soll.“

„Bist du dir da sicher? Vielleicht findet er nur die Farbe in meinem Gesicht völlig unangemessen.“

„Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber vielleicht hat er Angst, dass ihr seine frivolen Gedanken direkt an seinem Gesicht ablesen könntet?“

„Tinka!“

Wir lachten. Doch ich sah aus den Augenwinkeln, wie der Wachmann bei ihren Worten kurz erstarrte, sich dann langsam und steif herumdrehte und den Flur in die entgegengesetzte Richtung abschritt.

Wir liefen die Treppe hinunter und kaum standen wir vor dem Thronsaal, hörte ich auch schon wie der Herold mich ankündigte. Hatte meine Mutter denn überall ihre Augen und Ohren?

Tinka wollte mich gerade loslassen und in den Bedienstetentrakt abbiegen, doch in einem Anfall von spielerischem Leichtsinn hielt ich sie fest und raunte ihr zu:

„Oh nein. Du bleibst hier.“

„Finara, was hast du..., was habt ihr vor?“

„Du wirst schon sehen. Bleib ganz dicht bei mir.“

Tinka wollte sich losreißen, aber da öffneten sich die Pforten und das Orchester spielte bereits die ersten Takte. Ich zog Tinka einfach mit mir. Ich wusste, dass ich sie in große Verlegenheit brachte und vielleicht würde es ihr morgen sogar richtig peinlich sein, dass sie jetzt mit mir hier war. Aber ich war so wütend und enttäuscht, ich musste einfach das Protokoll brechen.

Und während das Orchester den Blütenwalzer anstimmte, zog ich Tinka über den Teppich und blieb mit ihr in der Mitte stehen. Die Menge im Saal hörte auf zu tanzen und die Leute starrten uns an, aber ich ignorierte sie und raunte Tinka zu:

„Tanz mit mir. Keine Angst, ich führe.“

Ich wartete erst gar nicht auf ihre Reaktion, sondern ergriff ihre Hand und Hüfte und wirbelte mit ihr durch den Saal. Die Musik wurde lauter und erstickte die erstaunten Rufe der Gäste, dem Herold fiel vor Schreck die Perücke herunter und meine Mutter schäumte an der Seite meines Vaters, der sie nur mit Mühe davon abhalten konnte einfach loszustürmen und die Situation damit noch schlimmer zu machen. Ich wirbelte mit Tinka durch den Saal und lachte. Ihr Zopf hatte sich längst gelöst, sie hatte endlich ein wenig natürliche Farbe im Gesicht und viel wichtiger, sie lächelte. Den ganzen Tag hatte ich sie entweder nervös, ängstlich, oder besorgt gesehen. 

Doch jetzt strahlte sie und ihre Sorgenfalten waren verschwunden. Allein dafür hatte sich dieser Bruch mit dem Protokoll schon gelohnt. Niemand wagte es, unseren Tanz zu stören, bis die Melodie wechselte und mein Vater Tinka schließlich ablöste. Mit einem milden Lächeln sah er auf Tinka hinab. Sie lief knallrot an, knickste hastig vor uns und rannte so schnell sie konnte aus dem Saal. 

„Wenn du erlaubst?“, fragte mein Vater. Ich nickte und überließ mich seiner Führung.

„Hast du dich mit deiner Mutter gestritten?“

„Eigentlich war sie diejenige die angefangen hat.“

„Hat sie das?“

„Ja. Mir jede Politik aufbürden, aber mich dann wie ein Kind behandeln, wenn es um die Ehe geht. Du kannst mir sagen was du willst, diesmal ist sie Schuld.“

Mein Vater schwieg, doch sah ich einen merkwürdigen Schatten in seinem Blick.

„Vielleicht hat sie ja einen guten Grund...“

„Einen Grund mir meinen Geburtstag zu vermasseln?“

„Nein, mit der Tür ins Haus zu fallen.“

„Wie meinst du das?“

„Genauso wie ich sage. Sie hat einen Grund für ihr Verhalten, bestimmt.“

„Aber warum sagt sie das denn nicht?“

„Tja, wenn ich das wüsste, wären wir jetzt nicht in dieser Situation, glaub mir.“

„Papa, du weißt den Grund auch nicht?“

Ich hatte den Eindruck, während wir der Melodie folgten, dass die Schatten von seinem Blick auf seine Wangen wanderten und sich um seine Mundwinkel legten. Aber vielleicht war das auch nur der Glühwürmchen-Leuchter.

„Nein, leider nicht. Aber eins verspreche ich dir: Tinka wird nicht weiter mit in dieses Spiel hineingezogen werden. Ich persönlich werde dafür sorgen, dass dieser Abend kein Nachspiel für sie hat.“

Ich nickte, war mir aber nicht sicher, warum mein Vater das so betonte. Den Grund dafür, sollte ich erst später erfahren. Viel später.

Wird fortgesetzt


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