Update: Die Legenden von Grünhain - Kleefee und Kaninchenritter Kapitel 4.2.

Ich grüße euch Anonymous!

Heute gibt es das neue Kapitel meiner Fantasy-Novelle "Die Legenden von Grünhain - Kleefee und Kaninchenritter!"

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Viel Vergnügen beim Lesen!


Die Legenden von Grünhain

Kleefee und Kaninchenritter


Kapitel 4.2.

Entschlossenheit Teil 2

Erst nachdem ich diese Worte laut ausgesprochen hatte, wurde mir klar, dass das die reine Wahrheit war. Ich wollte das alles nicht. Nicht weil ich mich zu jung fühlte, oder Politik nicht verstand, sondern weil ich mich nicht einschränken lassen wollte, weil ich dachte, dass Regeln dazu da sind um sie zu brechen oder zumindest anzupassen. Wenn doch noch niemand hier versucht hatte, mit den Falken ernsthaft zu verhandeln, sondern nur mit lächerlichen Ultimaten drohte, musste sich doch niemand wundern, dass sie die Boten hinrichteten. Im Grunde meines Herzens, glaubte ich Tinka kein einziges Wort. Ich glaubte an die Macht der Worte, nicht der Waffen. Doch meine Eltern taten alles, um mir das Gegenteil zu beweisen. Die politische Hochzeit war nicht das Problem, so was konnte man auch noch regeln und besprechen, nachdem die formellen Riten vollzogen worden waren. Aber wie die Zukunft Grünhains aussehen sollte, wie wir zusammenleben wollten, das war doch viel wichtiger! Doch niemand hatte mir zugehört. Niemand hatte mich wirklich unterstützt, meine eigenen Leute hielten mich wahrscheinlich für eine dumme, naive Idealistin. Aber wenn ich meine eigenen Leute, meine eigene Familie nicht überzeugen konnte, wer blieb dann noch übrig?

„Die anderen Parteien...“, flüsterte ich mir die Antwort selbst zu. Wenn es mir gelang, mit diplomatischen Fingerspitzengefühl, die anderen Seiten davon zu überzeugen echte Verhandlungen mit den Falken anzufangen, vielleicht sah dann Grünhain in ein paar Jahren ganz anders aus? Gerechter, reicher, friedlicher? Und vielleicht würde der Kaninchenprinz mir sogar dabei helfen? Vielleicht dachte er ja genauso. Ich musste unbedingt herausfinden, wie er sich die Zukunft Grünhains vorstellte. Und mit diesem Entschluss, schwang ich mich auf Primms Rücken, tätschelte sie und flüsterte:

„Los, Primm. Lass uns Grünhain von oben anschauen. Flieg, meine Gute, na los.“

Primm schien ein wenig überrumpelt von meinem Verhalten, doch dann stieß sie sich ab und zusammen fielen wir dem stahlblauen Sommerhimmel über Grünhain entgegen. Der Wind rauschte und pfiff, das helle Sonnenlicht blendete mich. Primm machte Loopings und mir wurde schwindelig, doch ich pfiff und lachte und trieb Primm weiter an. Sie schraubte sich höher und höher, bis wir die Pusteblumen hinter uns ließen. Wir sausten über die Koppel, irritierten die anderen Hummeln, ärgerten ein paar Schmetterlinge, das flimmernde Licht, das schwerelose Gefühl im taumelnden Hummelflug, der Duft von Heu und Wildkräutern, der funkelnde Grühnhainstrom. Das Schloss, die Brombeersträucher-Hecke der Hornissen, die Pfade der Ratten, die Grenzwiese mit den Kaninchenhügeln und die dichte, massive Fichtenwand am Horizont. Das alles war Grünhain, mein Zuhause. Ich konnte doch nicht einfach tanzen und fressen, wenn es in Krieg und Streit unterzugehen drohte. Primm ging in ein gemütliches Ich-sammel-jetzt-Pollen-Flugtempo über und steuerte ein paar besonders farbenprächtige Veilchen an, doch ich hatte nicht den Blick für diese Schönheiten. Hinter meiner Stirn arbeitete es wie verrückt. Und langsam aber sicher, kristallisierte sich ein immer wiederkehrender Gedanke heraus. Wenn du für Grünhain eine Zukunft willst, dann kämpfe dafür. Die Frage war nur: Wie? Ich war nur eine einzige, blöde Fee. Was konnte ich allein schon ausrichten? Ich grübelte so sehr, dass ich gar nicht bemerkte, dass Primm immer langsamer wurde. Erst als sie sich auf einem breiten  Stiefmütterchen niederließ und anfing sich zu putzen, schreckte ich auf und ließ mich von ihrem Rücken herabgleiten.

„Entschuldige Primm, ich habe über etwas nachgedacht. Hast du genug für heute?“

Ich streichelte sie zwischen ihren hin und her wackelnden Fühlern und Primm summte gelassen. Ihre Fühler streckten sich schließlich meinen Händen entgegen und tasteten über meine Fingerspitzen. Geht es dir jetzt besser? Ich hätte schwören können, dass sie mich das in diesem Moment fragte und unwillkürlich nickte ich. Na, beim Hüter! Du bist ja eine schöne Braut und Königin. Du bringst sogar Kampfhummeln dazu, sich wegen dir Sorgen zu machen! Ich seufzte tief und lehnte mich gegen Primm.

„Ja, mir geht es jetzt besser. Es muss doch einen Weg geben, die ganze Lage irgendwie zu entschärfen. Ich muss diesen Weg nur finden, ich muss es einfach versuchen. Aber das bedeutet auch...“

Ich streichelte Primm sachte über die Seite. Sie war voll klebriger Pollen und ihre Loopings hatten ihre längeren Härchen zerzaust. Das Striegeln und Saubermachen würde ewig dauern.

„...das bedeutet aber auch, dass ich nicht länger im Schloss bleiben kann.“

Primm hörte auf zu summen und außer dem sanften Wind, der uns umspielte, war es sehr, sehr still. Ich hatte etwas ausgesprochen, was noch nie zuvor eine Kleefee - Prinzessin laut auszusprechen gewagt hatte. Vorzeitig das Schloss zu verlassen um etwas scheinbar Unmögliches zu wagen. Was ich jetzt vorhatte, war eine glatte Unverschämtheit und im schlimmsten Fall, konnte man mir sogar Verrat vorwerfen. Ich war komplett auf mich allein gestellt. Ich ging um Primm herum, bis ich meiner Hummel in die schillernden Facetten-Augen schauen konnte. Ob sie mich gleich angriff, wenn ich fertig war? 

„Primm, es gibt etwas, das ich erledigen muss. Das ist so wichtig, dass ich es nicht länger aufschieben kann. Ich habe eine Bitte an dich: Wenn die Zeit gekommen ist, kann ich mich auf dich verlassen?“

Primm blieb ganz still sitzen, sah mich aber unverwandt an.

„Es geht um uns alle. Um ganz Grünhain. Auch um dich und deiner Schwestern. Um eine Zukunft hier in Kleefelden.“

Ich bemerkte wie meine Stimme zitterte. Primm sah mich weiter an, doch sie „antwortete“ nicht. Ich trat einen Schritt zurück und flüsterte:

„Es ist schwer zu erklären, aber wenn ich nichts tue, werde ich das mein Leben lang bereuen und vielleicht geschieht noch Schlimmeres. Ich bin überzeugt davon, dass ich keine andere Wahl habe. Primm, ich brauche deine Hilfe. Bitte.“

Ich straffte mich und hielt ihrem Blick, der merkwürdig hypnotisch auf mich wirkte, stand. Primm bewegte sich plötzlich und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Doch dann bemerkte ich ein zartes Kitzeln auf meinem Kopf. Es wanderte erst nach rechts, dann nach links. Schließlich streichelte es vorsichtig über meine Wange und tupfte mir schließlich auf die Nase. Ich blinzelte überrascht. Primm war näher gerückt und betastete mich vorsichtig. Dann summte sie ganz leise und ihr Blick gab mich wieder frei. Mir wurde erst jetzt bewusst, dass ich weinte. Vor Erleichterung. Wenn Primm mich unterstützte, dann konnte ich alles schaffen. Selbst wenn meine eigenen Familie mir keine Chance gab. Wenn Primm hinter mir stand, dann standen alle Kampfhummeln hinter mir, dann konnte ich alles schaffen. Primm hüpfte so begeistert auf dem Stiefmütterchen auf und ab, dass ich  herunter fiel, doch sie sauste schnell heran und ich landete weich auf ihrem Rücken.

„Primm! Danke! Danke!“

Mehr brachte ich nicht heraus. Ich vergrub mich in ihr Fell und weinte mir den ganzen Rückflug die Augen aus. Gut, dass mich keiner sah! Als Primm auf der Koppel des Schlosses landete, dämmerte es bereits. Ich stieg ab und wischte mir ein paar Mal über das Gesicht. Ich begleitete Primm zu den Stallungen und spürte dabei eine ganz neue Energie in mir. Entscheidungen zu treffen, war nicht leicht, aber wenn man es einmal geschafft hatte, dann setzte es neue Kräfte frei. Ich betete zum Hüter, dass diese Kraft nicht schon bis zum Abendessen wieder versiegt war. Ich hatte eine groben Plan im Kopf. Er war riskant, aber machbar. Der einzige, der mir wirklich Kopfzerbrechen bereitete, war Kommandant Leafus. Wenn er mich erwischte, dann war alles aus. Danach würde ich keine zweite Chance mehr bekommen. Ich war mir darüber im Klaren, dass ich keine gute Schauspielerin war. 

Meinen Eltern weiß zu machen, dass ich wegen der Hochzeitsvorbereitungen früh schlafen wollte, war nicht das Problem. Aber an den Wachen vorbei zu schleichen, bis ich den gut versteckten Geheimgang in der Nähe der Küche erreichte, dagegen schon. Ich war sehr stolz auf mich, dass ich diesen Gang überhaupt entdeckt hatte und jetzt würde er mir gute Dienste leisten. Vor ein paar Blütenzyklen war mir ein klitzekleiner Mauervorsprung in einer Wand aufgefallen und neugierig wie ich war, hatte ich den Vorsprung abgetastet. Es machte klick und ein Spalt öffnete sich, gerade groß genug für eine schlanke Person, definitiv nicht breit genug für Feenvolk in voller Rüstung. Ich erkundete den Gang und kam hinter den Hummelstallungen durch eine Falltür wieder nach draußen. Ich hatte damals alles in meinem Tagebuch festgehalten und erst vor ein paar Tagen, als sich die Situation mit Mutter anfing zuzuspitzen, war ich darauf gekommen in meinem Tagebuch zu blättern. Ich durfte nicht vergessen, es mitzunehmen. Aber zurück zu Primm: Sie brummte und flatterte schon ungeduldig auf und ab.

„Ja, Primm, ist ja gut. Ich mach dich ja schon wieder sauber.“

Ich nahm mir den Pollenwedel und fing an Primm behutsam abzustauben. Sie schüttelte sich leicht. Ihre transparenten Flügel fingen die letzten Sonnenstrahlen ein und verwandelten sich in eine schillernde Regenbogenhaut. Ich liebte unsere Hummeln. Keine Art war treuer und stärker als sie. Feen und Hummeln waren seit unzähligen Blütenzyklen miteinander verbunden, in guten wie in schlechten Zeiten. Ich ertappte mich dabei, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte, als dass alle Völker Grünhains so miteinander umgehen würden... Vielleicht war ich ja doch naiv und dumm. Aber hatte ich mich nicht eben noch dazu entschlossen, genau dafür zu kämpfen? 

Ich verscheuchte meinen inneren Kritiker und ging dazu über, Primm für die Nacht herzurichten. Erst entwirrte ich vorsichtig die zerzausten Zotteln, dann nahm ich eine Bürste aus Rehhaar und striegelte Primm kräftig. Sie streckte sich meinen Bewegungen entgegen und brummte wieder in gewohnter Gelassenheit. Ich lächelte und striegelte sie ein wenig länger als nötig. Primms Brummen ging in ein zufriedenes Säuseln über. Die Sonne versank tiefrot hinter dem Horizont und nachdem auch der letzte Strahl verschwunden war, erhoben sich aus dem Kleefeld die Glühwürmchen und erfüllten die Dunkelheit mit ihrem glitzerndem Licht. Dies war der schönste Anblick, den Grünhain zu bieten hatte. Das Lichter-Ballett wie meine Mutter zu schwärmen pflegte. Die „Funken der Hoffnung“ wurden in unseren Liedern besungen und verehrt. Die Boten des Hüters, nannten wir sie. Ich war wie gebannt von ihrem leichten Tanz. Selbst Primm verharrte. Unser Schweigen war geradezu andächtig und es schoss mir durch den Kopf, dass ich diesen Anblick wohl sehr vermissen würde, wenn ich mich auf den Weg machte, meine selbstgewählte Mission zu erfüllen. Dieser Gedanke brach den Glühwürmchen-Zauber. Ich tätschelte Primm.

„Na komm, meine Gute. Ab ins Bett mit dir. Du wirst jede Minute Ruhe brauchen, die du bekommen kannst.“

Sie wackelte mit den Fühlern. Ich führte sie in ihren Verschlag, stopfte noch ein bisschen warmes Heu nach und füllte ihren Honigtopf auf. Dann streichelte ich sie solange bis sie eingeschlafen war.

Ich machte mich auf den Weg zum Schloss, Tinka erwartete mich schon am Tor. Sie gestikulierte mir, mich zu beeilen. Im Laufschritt begaben wir uns in mein Zimmer und ich zog mich in Rekordgeschwindigkeit um. Tinka und ich redeten dabei kaum miteinander, doch das war der Eile geschuldet. Am Ende rannten wir sogar zum Speisesaal. Trotzdem saßen meine Eltern schon am Tisch und ich erntete vorwurfsvolle Blicke. Die zukünftige Königin kam zu spät zum Abendessen. Ein Skandal. Ich entschuldigte mich tausend Mal, bevor ich mich setzte, doch schienen meine Eltern nicht allzu verärgert zu sein. 

Wir unterhielten uns ab dem Hauptgang entspannt über dies und das. Mein Vater klopfte mir ein paar Mal stolz auf die Schulter und selbst Mutter bedachte mich mit einem warmen Lächeln, als sie meinem Vater ganz stolz von meinem Auftritt vor der Feuerling & Sohn-Gesandtschaft erzählte. Doch ich hörte nur mit einem halben Ohr zu, denn ich bekam langsam Muskelschmerzen im Gesicht vom vielen Lächeln. Die gute Miene zum bösen Spiel... wie konnten meine Eltern nur diese Fassaden aufrechterhalten? Ihre Lobhudelei hatte nichts mit mir zu tun, sie galt nur der Rolle, die ich spielte. Zugegeben, ich war gut darauf vorbereitet worden. Mit den Jahren war sie vielleicht sogar zu einer jederzeit abrufbaren, zweiten Persona geworden, so dass mir das Hin und Herwechseln gar nicht mehr schwer fiel, es sei denn, ich war grundsätzlich von einer Sache nicht überzeugt.. Oder vielleicht hatte ich sogar tatsächlich vergessen, wer ich eigentlich war? 

Das Abendessen zog sich diesmal besonders lange hin. Gefühlte dreihundert Blütenzyklen später, stand meine Mutter endlich auf, entschuldigte sich und gab damit das Signal, dass es Zeit wurde schlafen zu gehen. Mein Vater folgte. Ich wünschte ihnen noch eine gute Nacht und begab mich in mein Gemach.

Nachdem Tinka mir, wie immer, beim Umziehen geholfen hatte, entließ ich sie. Endlich war ich allein.

 Ich saß auf meinem Bett und dachte darüber nach, was ich als erstes tun sollte. Doch im Grunde gab es nichts mehr zu bedenken. Ich stand auf und kramte meinen Feldrucksack hervor, den Kommandant Leafus mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Er war tatsächlich ein Geschenk des Himmels, dachte ich spöttisch. Ich überlegte, dass, wenn ich mich zu den Kaninchen durchschlagen wollte, denn es schien mir taktisch geeigneter mit ihnen zuerst zu reden, ich robustes Zeug brauchte. Also kein Seidenfirlefanz, sondern strapazierfähiges, wasserabweisendes Leder. 

Ich wühlte mich durch meinen Schrank, meine Kommode und diverse Truhen, förderte meine kaum getragene Lederrüstung zu Tage und fand meinen Feldschlafsack ganz hinten im Schrank. Ich hatte diesen schon ewig nicht mehr benutzt und als ich ihn näher inspizierte, fiel mir auf, dass er schon einige Löcher hatte. Wie ärgerlich, aber besser als gar nichts! Mein Einhänder lag schon bereit, vorsichtshalber steckte ich noch das Jagdmesser mit ein. Ich hatte mir vorgenommen noch mindestens drei bis vier Stunden zu schlafen, denn ich war den ganzen Tag über auf den Beinen gewesen und langsam wurde ich müde. Aber ich durfte nicht verschlafen... 

Schnell stellte ich meinen Glöckchenwecker, der nicht sehr laut, dafür aber penetrant lange läutete und legte mich ins Bett. Vielleicht war dies für einige Wochen das letzte Mal, dass ich in einem solch weichen, luxuriösen Bett schlief. Ich kuschelte mich tiefer hinein und versuchte mir einzuprägen, wie sich ein weiches Bett anfühlte. Ich betete, dass das Wetter in den kommenden Tagen nicht umschlug. Dann fielen mir die Augen zu. 

(wird fortgesetzt!)


*= Rehhaar-Bürste: Die Feen sammeln das abgestoßene Winterfell der Rehe in Grünhain ein.

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