Update: Die Legenden von Grünhain - Kleefee und Kaninchenritter Kapitel 6
Ich grüße euch, verehrte (-r) Anonymous!
Heute gibt es das Kapitel 6 meiner Fantasy-Novelle "Die Legenden von Grünhain - Kleefee und Kaninchenritter!"
Und aus gegebenem Anlass: Da ich mittlerweile auf meinem Autorinnen-Twitter-Account über 200 Follower bekommen habe (srsly, wow!!!), kommt heute am späten Abend auch noch Kapitel 7, das ich leider noch einmal bearbeiten muss😭!!
Falls es hier Leser*innen gibt, die Feedback geben wollen, gerne bitte per Mail an haschi1979@web.de.
Viel Vergnügen beim Lesen!
Die Legenden von Grünhain - Kleefee und Kaninchenritter
Kapitel 6
Fremdes Terrain
Kurz vor der Morgendämmerung landeten wir an einem Seitenarm des Grünhain-Stroms. Ich wollte meine Feldflaschen auffüllen und Primm ein wenig Ruhe gönnen, denn hier würde keiner aus dem Schloss nach mir suchen.
Die Seitenarme des Grünhain-Stroms waren nicht ganz ungefährlich: Selbst an den, auf den ersten Blick, seichten Uferrändern, konnte eine kleine Unaufmerksamkeit den Tod bedeuten. Die verschiedenen Seitenarme beherbergten diverse Raubfische, die gerade für uns Feen sehr unangenehm werden konnten. Diese Fische lauerten nahe der Wasseroberfläche und sobald man sich in Reichweite über das Wasser beugte, schnappten sie nach einem. Aber zu dieser Blütenzeit schliefen sie. Das hatte mir Kommandant Leafus beigebracht und mit ihm war ich auch bis hierher gewandert, als unsere Soldaten einmal eine Übung absolvierten. Ich näherte mich langsam dem Fluss.
Das Mondlicht glitzerte in den leichten Wellen des Flusses. Außer Grillenzirpen hörte ich nichts. Ich ging in die Knie und füllte meine vier Feldflaschen. Dann ging ich zu Primm zurück, die es sich, etwas abseits im weichen Sand, bequem gemacht hatte. Ich verstaute die Flaschen und ließ mich neben ihr nieder. Sie brummte leise und ich streichelte ihr über das flauschige Fell. Sie war ganz warm und ich spürte wie meine Augenlider schwer wurden. Ich lehnte mich an Primm und döste ein wenig...
Als ich meine Augen wieder öffnete, war die Sonne bereits aufgegangen. Ich räkelte mich und stand auf. Primm prustete, so dass ich ein wenig Sand abbekam, dann wackelte sie ungeduldig mit den Fühlern, als könnte sie es gar nicht abwarten wieder loszufliegen. Ich schwang mich auf ihren Rücken und sie schwebte los.
Unbehelligt flogen wir durch die Gräser und Wiesenblumen hinter dem Farnwald. Diese Gegend war mir nur von Karten aus dem Schloss bekannt, aber ich erkannte die Landmarken wieder, der Ameisenhügel und den Bienenstock. Dementsprechend wusste ich, dass ich mich nun wieder nach rechts halten musste. Als die sommerliche Mittagshitze auf uns niederbrannte, landete ich mit Primm zwischen Bienenstock und Schachtelhalm-Lichtung. Ich trank aus meiner Flasche und fächelte mir Luft zu. Ich schätzte, dass es noch mindestens zehn Blütenstunden dauerte, bis ich zumindest am Rand des Fichtenhains ankommen würde. Ob sie sich im Schloss schon auf die Suche nach mir gemacht hatten? Hatten sie Tinka schon gefunden? Ich biss mir auf die Lippen. Ich fühlte mich ein wenig schuldig.
Ich starte auf die Schachtelhalme vor mir, als ich plötzlich einen Schatten über mir wahrnahm. Ich blinzelte und hob die Hand um das Sonnenlicht abzuschirmen. Was war das? Eine Honigbiene? Immerhin war der Bienenstock nicht allzu weit weg. Doch der Schatten wurde größer. Ich starrte angestrengt gen Himmel. Etwa eine Hornisse? Aber ich war doch gar nicht in deren Gebiet?
Ich lief um ein paar Schachtelhalme herum, die mir die Sicht versperrten. Dann konnte ich den Schatten erkennen: Entsetzt riss ich die Augen auf, wich einen Schritt zurück, stolperte über einen kleinen Kieselstein und landete unsanft auf dem Boden. Ich konnte meinen Blick jedoch nicht von dem riesige Schatten lösen, der unablässig über den Schachtelhalmen kreiste. Und jetzt hörte ich auch das aggressive Sirren, ja die Flügel dieses Wesens sirrten, wie scharfe Klingen, die man durch die Luft wirbelte. Wie versteinert saß ich da und konnte mich nicht rühren. Selbst wenn die Falken uns vernichten wollten, sie waren harmlos im Vergleich zu diesem ...Horror.
„Beim Hüter! Eine Mordfliege!“
Ich zitterte so sehr, dass ich zuerst nicht aufstehen konnte. Dem Hüter sei Dank war Primm die Gefahr nicht entgangen und in Windeseile kam sie auf mich zu gekrabbelt, so als wüsste sie, dass sie nicht entdeckt werden dürfte. Als sie mich erreicht hatte, klammerte ich mich panisch an ihr Fell und betete, dass dieses Monster mich nicht entdeckte. Mit Gelee weichen Knien, versuchte ich auf Primm zu klettern. Ich brauchte zwei Anläufe, bevor mir das gelang. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Handflächen waren so feucht, dass ich die Zügel nicht ordentlich packen konnte. Der Schatten dieser Plage kam und ging. Verschwinde! Lass uns in Ruhe! Flieg weg, du Scheusal!
Mir war klar, dass wenn diese Mordfliege mich erwischte, mein letztes Stündlein geschlagen hatte. Sie würde erst Primm vor meinen Augen zerreißen und mich dann in ihr Nest verschleppen. Dort würde sie mich buchstäblich Stück für Stück fressen. Eine Fee meiner Größe reichte einer Mordfliege um eine Woche zu überleben. Ich hatte diese, hinter vorgehaltener Hand geflüsterten, Geschichten schon oft gehört. Doch heute stand ich zum ersten Mal so einer Kreatur von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Meine Zähne klapperten. Als ich jedoch hastig wieder nach oben schaute, war der Schatten über den Schachtelhalmen verschwunden und auch das Sirren der Flügel war nicht mehr zu hören. Ich hockte noch ein ganze Weile Zähne klappernd auf Primm. Erst nach gefühlten zwanzig Hüter-Perioden beruhigte ich mich langsam wieder, mein Zittern ließ nach, mein Herzklopfen auch. Das war knapp! Auch Primm erwachte wieder aus ihrer Starre. Vorsichtig krabbelte sie unter den Schachtelhalmen entlang, aber kein Schatten fiel mehr auf uns und kein Sirren weit und breit. Ich seufzte erleichtert.
Die Falken waren nichts gegen diese bösartigen Monster! Während sich Primm noch nicht traute wieder abzuheben, versank ich tief in meinen Gedanken: Grünhain, so musste ich mir eingestehen, war alles andere als ein friedlicher Ort. Der Name war idyllisch und versprach jedem Volk ein Zuhause. Doch in Wirklichkeit war dieser Ort ein mehr oder weniger regelmäßig benutztes Schlachtfeld. Seine Geschichte war eine Abfolge von Kriegen. Ich hatte nur Glück gehabt: Ich wurde in eine relative Friedensperiode hineingeboren, doch das hieß nicht, dass in Grünhain alles Ambrosia war. Es gab zwischen den einzelnen Bewohnern immer mal wieder Streit. Hier und da brachen sogar kleine Scharmützel aus, wenn man nicht achtgab. Ich hasste diese Zustände, auch wenn es sehr vielen Völkern hier besser ging, als an ihren Herkunftsorten. Dies betraf vor allem uns Feen. Meine Vorfahren hatten ihre eigene Heimat zerstört und nur eine Hand voll Feen hatte es überhaupt bis hierher geschafft. Sie bauten die Feengesellschaft wieder auf und ich gehörte zur fünften Generation nach dem „Auszug“. Viele der Ureinwohner Grünhains waren der Meinung, wir gehörten nicht hierher und manchmal gab es unverhohlene Feindseligkeiten bis hin zu tätlichen Übergriffen. Doch nach und nach hörten diese auf und die Falken waren unter anderem ein Grund dafür. Als sich herausstellte, dass sie die absolute Herrschaft über Grünhain anstrebten, waren die alteingesessenen Kaninchenritter die Ersten, die uns ein Bündnis anboten. In dem sie sich offen zu uns bekannten, ließen feindliche Stimmen langsam nach. Wir hatten den faulen Rammlern tatsächlich einiges zu verdanken...
Ich schüttelte trotzig den Kopf, aber es stimmte: Durch das Bündnis mit den Kaninchenrittern wurde es für uns Feen erst möglich, wirklich in Grünhain zu leben und nicht nur zu überleben. Aber selbst die Kaninchen hatten noch nie versucht, ernsthafte Friedensverhandlungen mit den Falken zu führen. Warum taten sie es nicht? Das war meine Kritik an Feen wie Kaninchen. Aber nicht nur an denen: Auch die anderen Bewohner schienen kein echtes Interesse an einer Einbindung der Falken zu haben... Ratten und Hornissen wollten ihre Ruhe, allenfalls Handel treiben, aber entging ihnen nicht jede Menge Gewinn, ohne die Falken als Handelspartner? War ich denn die Einzige, die dachte, alle könnten von Friedensverhandlungen profitieren? Das konnte ich mir absolut nicht vorstellen. Und während ich noch grübelte, bemerkte ich nicht wie Primm die Grenze der Schachtelhalm-Lichtung erreichte.
Ihr Hopser brachte mich zurück in die Realität und langsam gewannen wir an Höhe. Vor uns lag die Kräuterwiese, die bis zum Gebiet der Kaninchen reichte. Sie schien sich endlos bis zum Horizont zu strecken. Ein grünes erdig-würziges Meer mit bunten Tupfern und satten Gräsern lud zum Rasten und Stärken ein. Primm brummte begeistert und beschleunigte ihren Flug. Ich musste mich gut festhalten um nicht aus versehen von ihrem Rücken zu fallen.
„Hey, nicht so stürmisch, Primm!“
Doch es gab für sie kein Halten mehr. Sie steuerte direkt eine riesige Schafgabe an und ließ sich freudestrahlend auf einem, der weißen, dichten Blütenschirme nieder. Ich konnte fühlen wie sie genüsslich den Pollen inhalierte und den Nektar aufsaugte. Man konnte sie sogar leise schmatzen hören. Ich entspannte mich, trank einen Schluck aus meiner Feldflasche und griff dann nach einem Honigbrot. Ich bemerkte erst jetzt, wie hungrig ich war, schlang das Brot hinunter und fand es köstlicher als alle Hofküchengerichte, die ich je gegessen hatte. Ich tätschelte Primm und sah mich um. Von der Schafgabe aus, konnte ich schon den Fichtenhain sehen, der wie eine geheimnisvolle, dunkle Schleierwolke am Horizont stand. Und davor das Gebiet der Kaninchenritter. Jetzt erst fiel mir auf, dass ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht hatte, wie ich denn durch das Kaninchengebiet bis zu den Falken kommen sollte.
„...“
Ich dummes, dummes Klee-Kind!
„Dann muss ich halt improvisieren...“
Ich richtete mich im Sattel auf und spähte umher. Links von der Schafgabe auf der ich mich befand, gab es weitere Schafgaben, die sich in einem Halbrund fast bis zum Kaninchenbau erstreckten. Wenn ich diesen Weg nehmen würde, würde ich direkt auf den Präsentierteller begeben ... rechts von meiner Schafgabe flachten die Gräser ab und gingen in ein feuchtes Huflattich-Gebiet über, das sich bis zu einem mir unbekannten Sandbodengebiet erstreckte. Von dort aus schien der Rand des Fichtenhains nicht mehr weit zu sein...
Ich überlegte kurz, dann trieb ich Primm an und hielt mich in Richtung Huflattich-Gebiet.
Doch Primm war noch nicht einmal bis zum kurzen Gras gekommen, als hinter uns ein schrilles Sirren die friedliche Ruhe zerriss. In diesem Moment bereute ich meine Leichtsinnigkeit. Der Weg den ich eingeschlagen hatte, bot so gut wie keine Deckung. Und die Mordfliege war schnell und schon warf sie ihren Schatten auf Primm und mich. Ich musste mich beherrschen um nicht einfach hysterisch loszuschreien.
„Primm, flieg schneller, so schnell du kannst! Hier ich lasse die Zügel los!“
Jetzt zahlte sich das harte Reittraining aus! Primm schoss aus dem Schatten der Mordfliege heraus und ich klammerte mich mit aller Kraft am Sattel fest. Primm flog im Zickzack hin und her, doch die Mordfliege ließ nicht locker. Das Sirren kam immer näher, gellte in meinen Ohren, doch plötzlich bremste Primm ab und die Fliege, die schon gierig ihre Vorderbeine ausgestreckt hatte, schoss an uns vorbei und prallte gegen eine stämmige Distel. Das verschaffte uns einen kleinen Vorsprung. Primm verschwendete keine Zeit und sauste weiter bis zu den ersten Huflattichen. Als wir das sumpfige Gebiet erreicht hatten, hatte uns die Fliege wieder eingeholt und diesmal war sie zornig, sehr zornig. Sie stürzte sich auf Primm und schnappte nach ihr, doch Primm wich aus. Ich konnte in die schrecklichen, schwarzen Facettenaugen der Fliege sehen, die merkwürdig lasziv und lockend auf mich wirkten: Warum gibst du nicht einfach auf? Ihr habt keine Chance zu entkommen, das weißt du doch.
„Niemals!!!“
Und als hätte die Fliege meine Gedanken gelesen, flog sie eine Kurve und kam frontal auf uns zu. Primm wich aus, in dem sie sich einfach fallen ließ und sich um die eigene Achse drehte, doch ich konnte mich nicht mehr halten und stürzte mit einem gellenden Schrei von Primms Rücken. Das letzte was ich sah war, wie Primm entsetzt in der Luft verharrte, während ein riesiger Schatten über sie herfiel.
(Fortsetzung folgt)
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