Update: Experimentelle Kurzgeschichten - Nr. 1 Glutwolken

Ich grüße euch, verehrte (-r) Anonymous!

Da ich momentan eine Schreibflaute habe, dachte ich, ich veröffentliche heute eine Kurzgeschichte von mir und starte damit meine Kategorie "Experimentelle Kurzgeschichten", die ihr oben direkt im Header anklicken könnt.

Unter dieser Kategorie werde ich, wie der Name schon sagt, mit der Gattung Kurzgeschichte experimentieren: inhaltlich und sprachlich, wobei ich es nicht so wirklich mit Poesie habe😅.

Ich habe erst einmal vor, 1x pro Monat eine Kurzgeschichte hier zu präsentieren.

Und hier ist meine Geschichte mit dem Titel "Glutwolken". 

Viel Spaß beim Lesen und wer möchte: Feedback gerne an mich per Mail: haschi1979@web.de!

Glutwolken

Es war heiß.

So heiß, dass das Pech, dass die alten, schiefen Häuser zusammenhielt, langsam schmolz und wie schwarze Tränen die hellen Steinwände herunter tropfte. Der Staub auf der Straße wirbelte träge durch die totenstillen Gassen, aufgescheucht durch den heißen Südwestwind, der schon seit ein paar Jahren über diese lebensfeindliche Gegend strich. Die verdorrten Eichen auf dem ehemaligen Marktplatz ächzten unter der Sonne und streckten ihre blanken Äste wie geisterhafte Knochenarme in den Himmel, der mit tiefroten, wallenden Wolkenschleiern überzogen war:

Glutwolken, nannten die Menschen sie. Opfersphären, war der Name dieser Schleier in der Sprache der Dämonen, Sphärenglut nannten sie die Himmelsbewohner.

Auf einmal wurde der Wind stärker und brachte den Geruch von Verwesung mit sich. Mit diesem Geruch, schienen sich die Glutwolken gleichzeitig dichter zusammenzuziehen. Je stärker der Geruch, desto dichter die Wolken, bis eine hünenhafte Gestalt direkt aus den Schleiern heraustrat.

Sein Schatten kroch über den rissigen Boden wie eine träge Schlange und wohin sein Schatten auch reichte, brach die knöcherne Erde auf und aus ihren klaffenden Wunden eiterte das Magma. Seine schweren mit Eisen beschlagenen Stiefel tauchten in das Magma wie ein Mensch in eine warme, angenehme Wasserquelle und machten dabei schmatzende Geräusche. Flammen züngelten um ihn herum, wie leichte Mädchen tänzelten sie um seine Hüften und Schultern. Er lächelte, während er eine spielerische Geste machte und leise ein paar Worte murmelte, die wie Donnergrollen klangen. Daraufhin loderten die Flammen auf, ihr Knistern klang wie ein Kichern, nur um sich in zwei geordnete Formationen, rechts und links von ihm, zu versammeln. Dann betrat er den Ort mit den alten Eichen. Zügig und hocherhobenen Hauptes ging er direkt auf die Eichen zu. Die Äste zitterten unter den herannahenden Schritten, die Rinde an den Stämmen blätterte ab und fiel wie abgestoßene Reptilienhaut zu Boden. Der Hüne ließ seinen Blick über die Eichen schweifen und jedes Mal, wenn sein Blick nur etwas länger auf diesen verweilte, fing das Holz der Bäume an zu schwelen. Seine Augen leuchteten tiefrot wie die Opfersphären am Himmel als er seine bleiche Hand hob und eine komplizierte Formel in die Luft schrieb. Daraufhin erschien inmitten der Eichen eine Wand, giftgrün leuchtend, mit geschwungenen Linien, die ein Tor auf diese zeichneten.

„Auf!“

Der Hüne flüsterte nur diese eine Silbe, doch seine Umgebung erzitterte als hätte er einen Hammer benutzt. Die Schallwellen rasten über den Boden und die alten, schiefen Häuser direkt am Marktplatz brachen lautlos in sich zusammen. Unbeirrt starrte der Hüne auf das Tor in der Wand, dass sich nur quälend langsam öffnete. Der Hüne lächelte zufrieden und ließ seine Hand sinken. Seine schlanken, langen bleichen Finger reflektierten das Tiefrot des Himmels.

Aus der Dunkelheit schälte sich ein Block aus kalt glänzendem Metall. Auf diesem Block befand sich ein viereckiger Käfig. In diesem Käfig befand sich etwas Helles mit dunklen Flecken. Etwas Zerstörtes. Etwas Ermordetes. Rote Spritzer auf weißem Grund hoben sich gegen die schwarze Dunkelheit und gegen den glühenden Himmel ab. Und aus den Tiefen der Wand löste sich ein heiseres Wehklagen wie eine tosende Flutwelle und strömte durch das Tor ins Freie. Wo der Hüne stand, wich das Wehklagen zurück, als wollte es die Gestalt, die es heraufbeschworen hatte, nicht beschmutzen, verteilte sich in den Überresten des Dorfes und verschwand in der Ferne. Der Hüne trat auf den Block mit dem Käfig zu. Sein Lächeln nahm einen triumphierenden Zug an, doch sein Blick zeigte nur Verehrung und tiefen Respekt, während er vor dem Block niederkniete und den Kopf neigte.

„So sehen wir uns endlich wieder. Verzeiht, dass ich euch habe so lange warten lassen.“

Der Hüne erhob sich mit einer fließenden Bewegung und berührte den Käfig. Die Obsidian-Stangen glühten auf und zerfielen zu Staub. Das Zerstörte verharrte auf dem Block. Der Hüne streckte seine Hand aus bis seine Fingerspitzen es berührten. In diesem Augenblick durchfuhr ein Beben den Käfig, das Zerstörte erschauerte und wieder schwoll das Wehklagen aus den Tiefen der Dunkelheit und rollte rechts und links an dem Hünen vorbei ins Freie. Das Ermordete bewegte sich langsam, drehte sich herum und in dem glühend fahlen Licht erschien ein Gesicht von zauberhafter Schönheit: Einer Schönheit, wie nur die Ewigkeit sie modellieren konnte. Augen wie leuchtende Milchstraßen am Nachthimmel blinzelten die Schleier erduldeter, jahrhundertelanger Folter weg, bis sie den Hünen fokussierten. Weiche Lippen formten sich zu einem milden Lächeln.

Da seid ihr ja! Wie habt ihr mich nur so schnell finden können?

Doch der Hüne schüttelte nur leicht den Kopf.

„Verzeiht, ich war nicht schnell genug. Dieser Diener ist nicht würdig, bemerkt zu werden.“

Die Milchstraßen - Augen verengten sich und das milde Lächeln bekam einen breiteren Zug.

Aber was redet ihr denn da? Seid wann ist der Herr der Unterwelt so bescheiden? So schnell hat mich noch niemand gefunden! Erhebt euch und benehmt euch wie der Herr der Unterwelt, der mir vor tausend Jahren die Treue geschworen hat. Es ist mir eine Ehre euch wiedersehen.

Der Hüne verzog überrascht sein Gesicht und winkte verlegen ab, während die helle Gestalt eine kleine Verbeugung andeute.

Wärt ihr vielleicht so freundlich auch den letzten Bann zu brechen? Diese Haltung wird langsam etwas unbequem.

„Sofort.“

Der Hüne trat ganz nah an den Block heran und strich mit den Fingerspitzen über die reliefartigen Schriftzeichen. Die Schriftzeichen blitzten auf und es machte leise klack. Zusammen mit diesem Geräusch erscholl ein rasselndes Scheppern als würden Gegenstände aus Eisen von irgendwo herabfallen. Die helle Gestalt richtete sich schwankend auf, so dass sie nun aufrecht auf dem Block saß. Getrocknetes Blut befand sich direkt unter ihr auf dem Block und auch die dunklen Schatten auf dem fließenden Stoff entpuppten sich als solches. Der Stoff war an einigen Stellen zerfetzt, so dass hier und da rote Narben durchschimmerten. Die Narben von Stichwunden, mit denen dieser Körper übersät war. Aus dem breiten Lächeln wurde ein Melancholisches.

Verzeiht meinen Aufzug, ich hatte keine Gelegenheit mehr… mein Gewandt zu wechseln.

„Aber nicht doch. Dieser unbedeutender Diener ist erleichtert über eure bloße Anwesenheit. Äußerlichkeiten spielen keine Rolle.“

Der Hüne errötete und die Gestalt lachte. Dann streckte sie ihre Hand aus. Der Hüne ergriff diese und half der Gestalt von dem Block herunter. Als sie sich endlich auf Augenhöhe gegenüber standen, nickten sie sich zu und verließen den Raum.

In dem Moment als sie ins Freie traten, hörte der Wind schlagartig auf, als wäre die Zeit selbst stehengeblieben und das Universum den Atem anhalten.

Die helle Gestalt kniete nieder und schlug mit der Faust auf den rissigen Boden. Der Schall weckte die tief in der Erde schlummernden Lebensadern. Die Risse im Boden verschwanden, Gras spross empor zusammen mit Blumen und Getreide. Die zerstörten Häuser bauten sich im Zeitraffer wieder auf, der Brunnen auf dem Marktplatz füllte sich mit frischem Wasser, der Staub verschwand aus den Gassen und die Eichen, die wie geisterhafte Knochenarme ihre Äste flehentlich gen Himmel gestreckt hatten, trugen wieder sattgrüne Blätter und in ihren Kronen zwitscherten zurückgekehrte Vögel. Wo vorher nur Wüste war und heißes Magma floss, gab es von einer Sekunde auf die andere frisches Quellwasser und üppige Obstbäume.

Der Hüne ließ seinen Blick über die erneuerte Landschaft wandern, während er sich neben der knienden Gestalt ins frische Gras fallen ließ. Als letztes fiel sein Blick auf das feine, ebenmäßige Profil und auf die langen Wimpern, die wie feine Tuschestriche die Milchstraßen - Augen verzierten. Er prägte sich jede einzelne Wimper ein. Dann fragte er:

„Ihr sagtet, dass ich euch sehr schnell gefunden habe. Verzeiht, aber was genau meintet ihr damit?“

Das, was ich gesagt habe. Ihr wart sehr schnell.

„Aber tausend Jahre ...“

Sind nur ein einziger Tag für einen Himmelsherrscher.

Die Gestalt wandte sich dem Hünen zu, ließ sich gegen diesen fallen und umarmte ihn. Dann spürte sie, wie der Hüne die Umarmung sanft erwiderte. Die Stirn gegen den warmen Hals gepresst, sog die Gestalt den herben Feuergeruch des Hünen ein, schloss die Augen und lächelte.

Dann flüsterte der Hüne:

„Willkommen zurück.“

Ich bin wieder da.




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