Update: Verbesserte Leseprobe zu Kleefee und Kaninchenritter, Kapitel 4

Ich grüße euch, verehrte*r Anonymous!

Entschuldigt, ich bin heute ein bisschen spät😅😱!! Es gab bei mir heute kaum ein Netz (was eventuell an den Überschwemmungen hier in NRW liegen könnte, aber keine Sorge, ich und meine Lieben sind safe!). 

Aber hier ist die vorerst letzte Leseprobe zu Kleefee und Kaninchenritter, Kapitel 4!

Viel Spaß beim Lesen!

Kapitel 4

Tinka, Teil 2

Auf dem Rückweg hörte Tinka sich geduldig mein Murren an, bis wir vor dem Kieseltor standen. Dann umarmte sie mich noch einmal.

Prinzessin, ihr seid so klug, ihr werdet schon eine Lösung finden.“

Das werde ich.“

In dem Moment war ich mir sicher, dass ich nur wieder einen klaren Kopf bräuchte, um die ganze Angelegenheit zu klären, ohne mich selbst oder meine Eltern vor den Kopf zu stoßen. Doch diesmal sollte es keine Kompromisse geben.

Ich erfuhr direkt beim Abendessen, dass mein Vater schon am nächsten Tag mit Truppeninspektionen und einem ersten Strategiegespräch mit Kommandant Leafus beschäftigt sein würde und Mutter dem Brautausstatter schon längst geschrieben hatte. Ich verschluckte mich fast an meiner Klee- und Kressesuppe. Mir blieb nur noch Hauptgang und Dessert, um mit meinen Eltern zu reden. Als die Bediensteten den Hauptgang aufgetischt und den Raum verlassen hatten, räusperte ich mich. Meine Eltern sahen auf.

Entschuldigt, dass ich jetzt mitten beim Essen davon anfange. Aber ich muss mit euch reden.“

Mutter legte ihren Löffel beiseite.

Was gibt es denn so Wichtiges?“

Ich habe mitbekommen, dass ihr hinter meinem Rücken Krieg führen wollt, während ich im grünen Spitzenkleid meine Rolle als Braut spielen soll.“

Ich hatte buchstäblich die Hummel durchs Bunt-Erden-Dach krachen lassen. Doch zu meiner Überraschung erwiderten meine Eltern nichts. Sie machten den Eindruck, als wüssten sie nicht so recht, wie sie mir antworten sollten, also setzte ich nach.

Ich erwarte eine Erklärung, warum ihr eine solche Strategie fahrt, ohne mich einzuweihen.“

Ich wählte meine Worte diesmal mit Bedacht:

Wozu habt ihr mich die ganzen Jahre unterrichtet, wenn ihr jetzt, wo es darauf ankommt, mein Wissen anzuwenden, mir keine Chance dafür gebt?“

Mein Vater hob beschwichtigend die Hand und mit einem schwachen Lächeln schüttelte er den Kopf.

Finara, so darfst du das nicht sehen. Aber wo wir jetzt schon gemeinsam hier sind: Ja, es gibt da gewisse Probleme. Nicht nur mit dem Fichtenherrscher. Auch die Königin der Hornissen und der Rattengilde-Meister führen etwas im Schilde und wir versuchen gerade herauszufinden was. Du weißt ja, dass unser Kleefeld genau im Zentrum von Grünhain liegt. Das bedeutet, dass sich hinter uns die Hornissen, auf der einen Seite die Ratten, auf der anderen Seite der reißende Grünhainstrom und über uns die Falken befinden. Also auf den Punkt gebracht: Wir sind umzingelt. Die einzige Richtung, die uns noch bleibt, liegt ergo geradeaus. Du kannst mir doch bestimmt sagen, wer dort lebt? Dort geradeaus?“

Die Kaninchenritter.“

Das ist meine Tochter. Wir haben gedacht, dass wir so mit einer Blüte direkt zwei Hummeln anlocken können.“

Ich schwieg. Mit anderen Worten, im Falle eines Krieges saß unser Volk in der Falle. Wenn sich alle gegen die Falken in einem Bündnis zusammen schließen würden, wäre der Fichtenherrscher keine Bedrohung mehr. Aber mit diesen unterschiedlichen Interessenslagen, war unser Bündnis mit den Kaninchenrittern das einzig Zuverlässige. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass die Ratten den Schulterschluss mit uns suchen würden, denn schließlich waren sie nur Handelstreibende. Und was die Königin der Hornissen anging: Ihre Umgangsformen waren mehr als zweifelhaft und sie gehörte zu der Sorte Grünhainer, die erst töten und dann Fragen stellen. Das machte die Sache kompliziert und ich verstand plötzlich, warum mein Vater versucht hatte, mich nicht mit hineinzuziehen. Ich erkannte auch, was er zwischen den Zeilen sagte: Solange unsere Aufklärungsdiplomaten nicht genau herausbekommen hatten, was die anderen Seiten planten, machte es für meinen Vater keinen Sinn, mich damit zu behelligen. Die Stimme der Vernunft buchstabierte mir das aus und als hätte mein Vater diesen Gedanken gelesen, meinte er:

Finara, mein Schatz. Ich habe dich nicht informiert, weil ich die Situation für zu unübersichtlich hielt. Wenn ich in den kommenden Tagen mehr in Erfahrung bringen kann, dann...“

Doch ich unterbrach ihn und die Stimme der Vernunft ging im Getöse meines verletzten Stolzes unter:

Nur weil du vielleicht morgen oder in ein paar Tagen mehr weißt, bedeutet das nicht, dass du mich darüber auch informiert hättest. Immerhin soll ich ja noch die lächelnde Braut im grünen Spitzenkleid spielen.“

Ich blieb hart. Das hier war zu absurd, um einfach klein beizugeben. Das Gesicht meines Vaters verfinsterte sich.

Achte auf deinen Ton.“

Oh, das tue ich. Deine Reaktion zeigt mir, dass ich richtig liege.“

Wenigstens wusste ich jetzt woran ich war. Den Rest des Essens verbrachten wir in eisernem Schweigen, dass selbst Mutter nicht zu unterbrechen wagte. Nach dem Dessert stand ich sofort auf, murmelte irgendwas von anstrengendem Tag und Bad nehmen, dann verließ ich das Speisezimmer. Draußen holte ich tief Luft und schlenderte in Richtung meines Gemaches. Vielleicht hätte ich es doch etwas anders formulieren sollen, dachte ich, während ich durch die, mit Kerzen sanft erleuchteten, Flure streifte. Ich ertappte mich dabei, dass ich ehrlich versuchte, mich an den Prinzen der Kaninchenritter zu erinnern. Irgendwie war er ja die Ursache für meine Sorgen, doch plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf und ich verharrte mitten im Schritt. Was wäre, wenn er ebenfalls dieses ganze Hochzeitsgehummele nicht wollte? Wer sagte denn, dass dieser faule Rammler nicht auch für immer ein fauler Rammler bleiben wollte? Wer garantierte mir, dass wir jemals mehr als nötig miteinander reden würden und wer wagte es zu behaupten, dass Prinz Ich-will-nur-faul-hier-liegen-und-mir-den-Bauch-mit-zarten-Kleeblüten-vollschlagen nicht auch entsetzt von der Heiratspolitik unserer Eltern war? Dieser kleine Funke Hoffnung setzte sich in einer Ecke meines Kopfes fest und ließ sich nicht mehr vertreiben. Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass wir in Zukunft als reine Bündnispartner zusammenarbeiteten. Immerhin funktionierte das schon seit einigen Blütenzyklen zwischen unseren Völkern sehr gut. Warum sollten ausgerechnet wir da eine Ausnahme sein. Aber unter einem Dach leben? Tagein, tagaus? Tisch und Bett teilen? Ich schüttelte heftig den Kopf, stapfte energischen Schrittes die Treppe zu meinem Gemach hoch und bemerkte überrascht, dass Tinka schon mit Kleeseife und Flaumtuch bereit stand. Durch das Kerzenlicht im Flur glänzte ihr Zopf wie das gebürstete Fell einer starken Hummel. Tinka lächelte, machte eine einladende Geste und meinte:

Euer Bad wartet schon auf euch.“

Danke.“

Gemeinsam betraten wir das Bad am Ende des Flures. Es war großzügig mit Mohn- und Enzianblüten dekoriert und das sanfte Licht der Bienenwachskerzen verströmte leise Gemütlichkeit. Die Badewanne war mitten im Raum in den Kieselboden eingelassen und ein lichtdurchlässiges Bunt-Erden-Fenster enthüllte den sternenklaren Nachthimmel über uns. Wenn fee die drei Treppenstufen in der Wanne hinabstieg, ging ihr das Wasser bis zur Brust. Am Rand der Wanne, unter der Wasseroberfläche, befanden sich reihum Marmorbänke. Im Kieselboden des gesamten Bades waren Wärmeröhren aus Feenstaub-Kupfer-Legierung verlegt, so dass der Raum und die Wanne mit dem Wasser nicht auskühlten. Der Dampf von Honigtauwasser erfüllte das Bad, strich sanft über mein glühendes Gesicht und verhieß wohlverdiente Entspannung. Ich inhalierte den süßlichen Duft und nestelte ungeduldig an meiner Uniform. Tinka legte das flauschige Badetuch beiseite.

Ich mach schon.“

Sie half mir aus meiner Uniform, löste meine hochgesteckten Haare und stupste mich unter die, einer Orchideen-Blüte ähnelnden, Wasserbrause. Tinka stellte die Brause an, prüfte die Temperatur und brauste mich ab. Dann nahm sie die, nach frischem Klee duftende Seife und wusch mir die Haare. Ich spürte, wie ihre Fingerspitzen meinen Kopf massierten, mal hierhin und dorthin wanderten, ohne sich auch nur einmal in meinen Strähnen zu verheddern.

Wie machst du das bloß?“

Oh, das ist nur Übung.“

Ich wünschte, ich wäre so geschickt wie du.“

Tinka spülte mich fein säuberlich ab, dann wickelte sie mir das Handtuch um den Kopf und bugsierte mich Richtung Wanne. Ich nörgelte ein wenig, aber Tinka lachte nur. Dann ließ ich mich in dem warmen Honigtauwasser nieder, nah am Rand des Bassins, damit ich mich besser mit Tinka unterhalten konnte. Ich musste einfach mit ihr über das, was meine Eltern beim Abendessen gesagt hatten, reden.

Sie sind alle völlig behummelt im Kopf“, platzte ich heraus, so laut, dass Tinka zusammenzuckte.

Sie wollen trotz Kriegsvorbereitungen, dass ich diesen dahergelaufenen Rammler eheliche. Ich glaube es einfach nicht. Das ist doch alles absurd.“

Frustriert planschte ich herum. Dabei spritzten Tinka ein paar Tropfen ins Gesicht, so dass sie sich unwillkürlich schüttelte. Doch es kümmerte mich nicht, ich war zu aufgebracht.

Nicht genug damit, dass mein Vater tatsächlich die Nerven hat, mir zu sagen, dass ich hier nicht gebraucht werde, nein, ich soll tatsächlich trotz Mobilmachung die lächelnde Braut spielen, damit unsere Bündnispartner ja nicht vor den Kopf gestoßen werden. Mit anderen Worten: Krieg führen ist zwar wichtig, aber Heiraten noch wichtiger. Ich könnte Pollen kotzen.“

Gelassen wischte Tinka sich die letzten Tropfen aus ihrem Gesicht. Dann zog sie ihre Sandalen aus, setzte sich auf den Wannenrand und schaute auf mich herab, während sie mit ihren Füßen im Wasser leicht hin und her plantschte.

Finara, seht ihr denn nicht, was ihre Majestäten damit bezwecken?“

Nein. Außer, dass sie mich scheinbar aus dem Weg haben wollen.“

Tinkas Gesicht verfinsterte sich für einen Moment, aber vielleicht war es auch nur ein Dampfschwaden, der einen Schatten auf ihre Wange zeichnete.

Wenn sie euch wirklich hätten loswerden wollen, wärt ihr schon längst bei Prinz Weißfell.“

Aber was wollen sie denn dann?“

Sie wollen doch nur, dass ihr ihnen vertraut. Sie haben nichts anderes als euer persönliches Glück im Auge. Sie würden alles dafür tun, dass ihr ein gutes Leben habt. Ich bin ein wenig neidisch auf euch.“

Ich schwieg einen Moment, doch dann murrte ich:

Es besteht überhaupt kein Grund neidisch auf uns zu sein, Tinka. Und tief in mir weiß ich, dass sie nur mein Bestes wollen. Aber müssen sie mich direkt verheiraten, sobald sie mobilmachen? Als ich Prinz Weißfell das letzte Mal gesehen habe, war ich vielleicht sechs Blütenjahre alt. Ich weiß nicht mal mehr, wie er aussieht und wir haben seitdem kein einziges Wort gewechselt. Was ist denn, wenn er mich gar nicht will? Was ist, wenn er schon wen anderes hat? Und noch wichtiger: Was ist, wenn er ein Feigling und buchstäblicher Angsthase ist? Tinka, meinst du nicht, dass ich nicht auf alle Fälle etwas Besseres verdient habe? Da wäre mir General Windgeschwind noch lieber! Bei dem steht wenigstens fest, dass er kein Feigling ist.“

Prinzessin!“

Ich zuckte zusammen. Tinka klang kalt und schneidend. Ich sah zu ihr auf. Ihr Blick war voller Verachtung. Ich blinzelte kurz. Oder hatte ich mir das nur eingebildet?

Ist das euer Ernst, Prinzessin?“

Das mit General Windgeschwind? Das er mir lieber wäre?“

Ja.“

Statt einer Antwort, drehte ich ihr den Rücken zu. Natürlich hatte ich das nicht Ernst gemeint. Aber es war eine Tatsache, dass der General der Fichtenherrscher ein mutiger, tollkühner Falke war. Die Geschichten, die fee sich über ihn erzählte, waren vermutlich nur Märchen, aber ich musste zugeben, dass ich ihn heimlich bewunderte. Allerdings bewunderte ich auch unseren Kommandanten Leafus. Ich mochte mutige Persönlichkeiten. So einfach war das. Ich wollte so sein wie sie. Und jetzt nahm mir mein Vater die Chance mich zu beweisen, mir selbst zu beweisen, dass ich genauso wie meine heimlich oder offen bewunderten Vorbilder sein konnte. Ich wandte mich Tinka wieder zu, die immer noch am Wannenrand hockte. Ich sah ihr direkt in die Augen und meinte:

Ich mag mutige Typen. Das weißt du doch. Ich habe dir gegenüber nie einen Hehl daraus gemacht, dass, obwohl die Falken ohne Zweifel schreckliche Tyrannen sind, sie trotzdem mutige Kämpfer haben, die für ihre Sache genauso einstehen, wie wir für unsere. Nüchtern betrachtet, könnte man sich hier durchaus die Frage stellen, warum wir nicht aktiv auf die Falken zugehen und direkt versuchen mit ihnen Friedensverhandlungen zu führen. Noch pragmatischer betrachtet: Kein Geschichtsbuch erwähnt, dass die Völker Grünhains jemals versucht haben, mit den Falken Friedensverhandlungen zu führen. Ich meine, das ist doch merkwürdig? Das Bündnis hat es damals noch nicht einmal versucht. Weder Feen, noch Kaninchen, noch Ratten, noch Hornissen. Ich finde das seltsam. Aber noch seltsamer finde ich den Gedanken, dass das scheinbar niemand seltsam findet. Und jetzt, wo sich mir eine Chance geboten hätte, so etwas anzuregen, soll ich mit Prinz Weißfell verheiratet werden und so Bündnistreue demonstrieren? Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich vermutlich Prinz Weißfell Unrecht tue. Ich habe keine Ahnung, ob er ein Feigling, ein Angsthase oder was auch immer ist. Aber, meine liebe Tinka, du scheinst nicht auf dem Laufenden zu sein.“

Sie runzelte die Stirn, aber ich fuhr fort:

Falls du es nicht mitbekommen haben solltest: Der letzte Brief des Kaninchenherrscherpaares ist ein halbes Blütenjahr her und seitdem kam nichts mehr.“

Wie meint ihr das?“

Vor einem Blütenjahr kam der Brief mit dem Angebot zum Verlöbnis, aber meine Eltern haben das erst vor kurzem angenommen und mir damit meinen Geburtstag komplett verhummelt. Und ist dir aufgefallen, dass an meinem Geburtstag zwar eine Kaninchen-Delegation da war, aber weder Prinz Weißfell noch seine Eltern sich haben blicken lassen? Warum haben meine Eltern so lange mit der Antwort gewartet? Warum haben sie mir nichts von der öffentlichen Ankündigung gesagt? Das letzte persönliche Treffen mit ihnen ist sogar noch länger her und wie gesagt, ich habe Prinz Weißfell mit sechs Blütenjahren das letzte Mal gesehen. Ich frage mich allen Ernstes, was hinter dem Ganzen steckt.“

Ich sah sie erwartungsvoll an, doch Tinka schwieg. Ihr Blick war immer noch hart, aber ich sah, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Sie blickte mich an, doch schien sie durch mich hindurchzusehen. Dann richtete sie sich ruckartig auf und diesmal war sie es, die mir den Rücken zudrehte. Schließlich presste sie hervor:

Prinzessin, vergebt mir, aber es gibt keine Möglichkeit mit den Falken zu verhandeln. Sie haben die drei Botschafter, die euer Vater geschickt hatte, getötet und ihre Köpfe auf dem Falkenhorst ausgestellt: Das war ihre „Antwort“ auf unser Friedensangebot. Ihr seid ziemlich arrogant und anmaßend gegenüber eurem Vater, der nur seine Tochter vor solch grausamen Anblicken beschützen will. Was eure Heirat angeht: Nun, ich denke eure Mutter kennt euch einfach zu gut und hat euch deshalb vor vollendete Tatsachen gestellt.“

Ich war sprachlos. Zwar mochte ich Tinkas schonungslose Ehrlichkeit, auch deshalb waren wir befreundet. Aber so hatte sie noch nie mit mir gesprochen. Selbst wenn ich Hitzkopf die Fassung verlor, war sie nie unfair zu mir gewesen. Ich spürte, wie sich mein Herz verkrampfte. Also waren sich alle hier im Schloss einig. Ich richtete mich kerzengerade auf und sagte laut:

Danke, Tinka, aber du kannst jetzt gehen. Ich brauche dich für heute Abend nicht mehr. Sag ihren Majestäten, dass ich nicht heirate, solange wir vorhaben, Krieg zu führen.“

Ich beobachtete, wie sie zusammenzuckte, doch ich hatte nicht die Spur eines schlechten Gewissens. Es gab eine klare Grenze zwischen ehrlich und unfair. Schweigend verließ Tinka das Bad. Ich ließ mich auf der Marmorbank nieder und rutschte bis zum Kinn in das Honigtauwasser. Also war Tinka gar nicht auf meiner Seite. Ich hätte ihr einfach gar nichts erzählen sollen, höchstens ein paar Belanglosigkeiten. Enttäuscht ließ ich den Kopf hängen und blubberte vor mich hin. Ich hatte wirklich gedacht, wir wären echte Freundinnen. Im selben Moment schalt ich mich auch schon eine von allen Hummeln verlassene Fee. Was sollte sie denn sonst zu mir sagen? Sie unterstand Mutter. Was hatte ich erwartet? Ich biss die Zähne zusammen und stieg aus der Wanne, zog meine Uniform wieder an und huschte lautlos über den Flur zu meinem Gemach. Ich schloss die Tür und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Ich spürte einen Kloß im Hals, der sich nicht runter schlucken ließ. Ich vermisste Tinka schon jetzt. Vielleicht hatten alle recht und ich war eine naive Fee. Formal war an der Heirat auch nichts auszusetzen. Ich konnte mir nur nicht vorstellen, gerade jetzt die lächelnde Braut zu spielen. Vielleicht war Prinz Weißfell nett und zuvorkommend. Immerhin waren elf Blütenjahre vergangen. Ich war mir sogar sicher, dass wir uns verstehen würden, denn die Kaninchen wählten ihre Herrschenden nach dem Leistungsprinzip aus und ich war sehr gut vorbereitet, um dem Prinzen keine Schande zu machen. Mir war bewusst, dass jetzt die Zeit gekommen war, mich als Herrscherin zu beweisen. Aber vor dem Hintergrund der Kriegsvorbereitungen, konnte ich mich nicht gegen den Gedanken wehren, dass das alles nur Theater war, um das Feenvolk ruhig zu halten. Hofften meine Eltern, dass niemand eine Schlacht gegen die Fichtenherrscher bemerkte? Ich lächelte spöttisch vor mich hin, dann schleppte ich mich zu meinem Bett, tauschte meine Uniform gegen mein Nachtgewand, kuschelte mich unter die Decke und flüsterte in die Stille:

Morgen werde ich mich bei Tinka entschuldigen.“

Kaum hatte ich meine Augen zugemacht, fiel ich auch schon in einen tiefen und traumlosen Schlaf.


Mitten in der Nacht bewegte sich die Tür zum Gemach der Feenprinzessin und eine schlanke Gestalt schob sich durch den Spalt. Im Kegel des hereinfallenden Mondlichts zog sich ihr Schatten in die Länge. Tinka sah auf Finara herab. Ihr Blick glitt über die auf den Kissen aufgefächerten Haare, die Wangen und blieb schließlich an den langen Wimpern hängen. Tinka flüsterte:

Ihr habt so tolle Eltern, ein so wunderschönes Zuhause und noch so viel mehr, von dem ich nur träumen kann. Und doch wisst ihr nichts davon zu würdigen.“

Das silberne Mondlicht fiel auf Finaras Gesicht und verlieh ihr eine schimmernde, unschuldige Aura. Tinka verzog das Gesicht. Dieser kindische Idealismus, diese maßlose Arroganz. Tinka hielt den Atem an, beugte sie sich über Finara und flüsterte ihr ins Ohr:

Ihr seid wirklich zu naiv.“

Und damit drehte sie sich um, und verschwand genauso leise wie sie gekommen war. Sie bemerkte den Schatten auf dem Fenstersims nicht: Lange Löffel zeichneten sich dort im Mondlicht ab. Sie blieben bis zum Morgengrauen.


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