Update: Verbesserte Leseprobe zu Kleefee und Kaninchenritter Kapitel 2
Ich grüße euch, verehrte*r Anonymous!
Ich habe gestern eine so nette Rückmeldung zum 1. Kapitel bekommen, da habe ich mich mit der Korrektur des 2. Kapitels direkt beeilt.
(Jetzt ist meine größte Angst, dass ich die ganzen Lese-Erwartungen enttäusche, help😅😱)
Hier ist also die verbesserte Leseprobe des 2. Kapitels. Viel Spaß dabei!
Kapitel 2
Ich habe doch etwas Besseres verdient
Ich hatte keine Ahnung, was nach Mutters ungeheuerlicher Ankündigung genau geschehen war. Als ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, saß ich auf meinem Bett, hatte das Kleid in eine Ecke gepfeffert, ein Buch genommen und blätterte gedankenverloren darin herum.
„Sie haben mich wirklich verlobt und das vor dem ganzen Hofstaat publik gemacht. Ohne mich vorher zu fragen?!“
Ich war nicht nur empört, ich war regelrecht entsetzt. Meine Eltern hatten mich noch nie in wichtigen Dingen übergangen. Seit einem Jahr nahm ich an ausgewählten, offiziellen Sitzungen teil und wurde dort auch nach meiner Einschätzung und Meinung gefragt. Dass sie mich jedoch gerade in dieser Angelegenheit wie ein kleines Feen-Kind behandelten, passte ganz und gar nicht dazu. Es fühlte sich falsch an. Andererseits waren politische Hochzeiten nichts Außergewöhnliches und immerhin war ich die Prinzessin. Mir war klar, dass mir das irgendwann bevorstehen würde. Aber jetzt schon? Und in einem halben Jahr? Nur dunkel konnte ich mich noch an Prinz Weißfell erinnern. Wir hatten uns irgendwann einmal als Kleinfee und Kaninchenritter-Junges getroffen. Ich versuchte mir die Erinnerung zurück ins Gedächtnis zu rufen, aber mir kam nur ein verschwommener Eindruck von Wortkargheit, weichen, immer nur nach hinten gelegten Löffeln und ängstlichem hin und her hoppeln in den Sinn. Kein Rückgrat, keine eigene Meinung, keine Stärken. Ich zog die Stirn kraus und starrte auf eine Abbildung in dem Buch auf meinen Knien, ohne diese ernsthaft wahrzunehmen.
„Habe ich nicht etwas Besseres verdient? Zum Beispiel einen stolzen, aufrechten Krieger, mit genügend Rückgrat, um gegen die immer aggressiver werdenden Fichtenherrscher zu bestehen? Selbst Tinka hat mehr Durchsetzungsvermögen. Eher würde ich sie heiraten!“
Ich warf das Buch achtlos zu Boden und rollte von einer Bettkante zur anderen. Schließlich blieb ich liegen und blickte zu dem Baldachin empor, in dem das Bild des Blütengottes, dem Hüter, eingewirkt worden war. Das milde Lächeln und die sanften Züge wirkten mit einem Mal steif und gefroren. Ewigkeit bedeutete Stagnation, nicht Wandel, schoss es mir durch den Kopf. Ich richtete mich auf und sprang vom Bett, dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch und öffnete mein Tagebuch. Ich nahm meinen Schreibdolden und gerade als ich ansetzen wollte, klopfte es an der Tür. Doch statt zu antworten, fing ich an zu schreiben.
„Finara, Liebes, ich weiß, dass du da bist. Darf ich reinkommen?“
Nein, Mutter, ich habe keine Lust mit dir zu reden.
Selbst meine Gedanken klangen trotzig.
„Finara? Bitte...“
„...Komm rein, wenn du unbedingt musst.“
Mutter machte die Tür auf, blieb aber in der offenen Tür stehen. Sie war sichtbar verärgert, aber auch pikiert.
„Kind, was soll das? Du kannst doch nicht einfach so aus dem Saal verschwinden! Was sollen denn die Gäste denken? Jetzt komm mit, dein Debütantinnen - Ball fängt gleich an und dein Vater besteht auf einen Tanz mit dir. Aber, wo hast du denn dein Kleid?“
Ich bemerkte, wie es immer stärker in mir brodelte.
„Ich tanze in meiner Uniform.“
„Finara, sei vernünftig. Das ziemt sich nicht.“
„Dann komme ich nicht mit und ihr könnt ohne mich tanzen.“
„Jetzt sei nicht kindisch.“
„So, bin ich das? Das könnte etwas mit dem Prinzip Ursache - Wirkung zu tun haben.“
„Prinzessin, dein Ton gefällt mir gar nicht.“
Mutter seufzte, drehte sich um und schloss die Tür. Dann setzte sie sich auf die Bettkante und nestelte an ihrem Kleid. Das tat sie immer, wenn sie verlegen war.
„Ich verstehe ja, dass du nichts vom Protokoll hältst. Aber wir haben unserer Verpflichtungen und du bist jetzt in dem Alter, in dem du schon wichtige Entscheidungen zu treffen hast.“
Ich unterbrach sie direkt.
„Ich soll also wichtige Entscheidungen treffen? Dann solltet ihr mich das auch tun lassen und Dinge nicht über meinen Kopf hinweg beschließen. Ich habe mich nicht dazu entschieden öffentlich zu verkünden, dass ich einen dahergelaufenen Rammler eheliche und du verlangst jetzt von mir gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Es tut mir leid, dass so sagen zu müssen: Aber ohne mich. Ich werde nicht mit runter kommen.“
Ich hatte mit Mutter schon lange nicht mehr gestritten. Ihr Blick wurde hart. Ruckartig stand sie auf.
„Prinzessin Finara von und zu Doldenstaub. Es reicht. Wie sprichst du überhaupt mit mir? Das erlaube ich nicht. Du solltest wissen, wo dein Platz ist.“
Ich starrte sie an und knirschte mit den Zähnen.
„Hör gut zu, Töchterchen. Danke dem Hüter auf Knien, dass ich noch weiß, was es bedeutet, jung zu sein. Aber bedenke, wer und was du bist. Und vor allem, was du sein wirst. Du wirst die Zukunft der von und zu Doldenstaubs sichern. In Grünhain bedeutet das nicht nur gegen die Fichtenherrscher gewappnet zu sein, sondern auch die Traditionen der Feen zu bewahren, ihre Lebensweise und ihre Errungenschaften. Koste es, was es wolle. Dafür ist das Kleevolk auf die Kaninchenritter angewiesen. Verbindungen und Bündnisse sichern unsere Existenz.“
Sie trat auf mich zu und legte mir die Hand auf die Schulter. Ich war jedoch zu wütend, als dass ich ihr indirektes Friedensangebot annehmen konnte.
„Das weiß ich. Ich bin mir meiner Position mehr als bewusst. Aber ausgerechnet in diesem Punkt, habt ihr mich einfach übergangen. Das verzeihe ich euch nicht so schnell. Ihr mutet mir die Hofintrigen und die Diplomatie in all ihren brutalen Facetten zu, aber wenn es um meine politische Heirat geht, findet ihr es in Ordnung, wenn ich als Letzte davon erfahre? Das ist doch nichts weiter als Doppelmoral.“
Die Hand auf meiner Schulter erstarrte und zog sich zurück.
„Wir dachten, dass es eine tolle Überraschung wäre.“
„Eine Überraschung war es. Und was für eine! Vor der ganzen versammelten Feenschaft. Wie konntet ihr mich nur so bloßstellen.“
„Aber, aber, Kind beruhige dich. Ich verstehe tatsächlich nicht, warum du dich über die Bekanntgabe so aufregst. Erstens müsste dir das doch klar gewesen sein. Außerdem kennt ihr euch doch schon von Kindesbeinen an und zweitens dürftest du doch wohl wissen, dass wir von und zu Doldenstaubs nicht irgendwelche dahergelaufenen Feen ehelichen können. Dein Vater und ich sind jetzt über dreißig Blütenjahre miteinander verheiratet. Auch unsere Ehe gehört zu den notwendigen Arrangements dieser Welt. Nun, zugegeben wir hatten das Glück, dass wir schnell eingesehen haben, dass wir nur voneinander profitieren können. Der Rest ergab sich von selbst und das Ergebnis bist du. Ich bin sehr enttäuscht, dass du uns nicht vertraust.“
„Aha, Vater ist also ein verzaubertes Kaninchen“, meine Stimme triefte vor Sarkasmus.
„Versuch nicht, mir ein schlechtes Gewissen einzureden.“
Ich sprang auf und warf die Hände in die Luft.
„Das meine ich! Wenn dir mein Verhalten nicht passt, wirst du immer weinerlich und moralisierend. Das hilft nicht dabei, ein Problem angemessen zu diskutieren und vor allem zu lösen. Deswegen sage ich dir hier und jetzt meine Meinung ins Gesicht: Ich werde diesen faulen Rammler nicht ehelichen. Ich werde heute Abend nicht hinuntergehen, nur um lächelnd mein Debüt zu absolvieren. Ihr habt zuerst eine Grenze überschritten.“
„Dann lässt du mir leider keine andere Wahl.“
Mutter klatschte zwei Mal laut in die Hände und Tinka kam herein. Scheinbar hatte sie draußen vor der Tür gewartet. Das war also Mutters Trumpfkarte. Tinka warf mir einen nervösen Blick zu und machte einen Knicks.
„Tinka, zieh meiner Tochter ihr Kleid an. Dann ruf nach den Wachen, damit sie sie hinunter bringen.“
„Lass Tinka aus dem Spiel! Wie kannst du es wagen?“
Mutter sah mich nicht einmal mehr an, sondern schritt hocherhobenen Hauptes aus der Tür. Doch dann, drehte sie sich noch einmal um.
„Du hast fünf Blütenumdrehungen, um die Prinzessin fertig zu machen. Nicht eine Umdrehung länger.“
Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Ich stand da, wie betäubt, aber in mir loderte etwas, was ziemlich nah an Hass grenzte. Ich musste wohl schrecklich aussehen, denn Tinka beäugte mich vorsichtig von der Seite, bevor sie das Kleid, das ich achtlos weggeworfen hatte, aufhob und mir sachte über den Kopf zog. Ich ließ es geschehen. Dieser Geburtstag war ein Desaster und Mutters Verhalten verstörte mich zutiefst. Das passte alles doch hinten und vorne nicht. Mutter war zwar gut darin, anderen ein schlechtes Gewissen einzureden, aber sie machte das nur, wenn fee nicht auf ihre Argumente einging. Doch ich war auf sie eingegangen und hatte erst dann meine Meinung dazu gesagt. Das war nicht ihr normales Verhalten. Es wirkte merkwürdig angestrengt und sogar ein wenig verzweifelt.
„Hier stimmt irgendetwas nicht.“
„Was stimmt nicht, Prinzessin?“
„Mutters Verhalten stimmt nicht. Sie ist normalerweise nicht so... so fies.“
„Es steht mir nicht zu, ihre Majestät zu beurteilen.“
„Doch Tinka, eigentlich müssten gerade Leute wie du die Herrscher beurteilen. Aber das gehört jetzt nicht hierher. Hier, mach schnell. Ich will nicht, dass du noch mehr Ärger nur wegen mir bekommst.“
Tinka schwieg und zupfte geschwind hier und da an meinem Kleid. Dann brachte sie, mit ihren geschickten Fingern, meine Haare und mein Gesicht in Ordnung. Schwungvoll zog sie meine Lippen nach, puderte meine Brauen über und hielt mir einen kleinen Handspiegel hin.
„Ihr seid wunderschön, Prinzessin.“
„Ach, hör auf. Nur weil die Farbe nachhilft.“
„Nein, die Farbe unterstreicht nur das, was schon da ist.“
„Tinka, du hast es nicht nötig mir Honig ums Maul zu schmieren.“
„Zugegeben, ihr gefallt mir in eurer Uniform auch besser als in diesem Kleid. Aber Pflicht und Protokoll rufen.“
Ich winkte ab und bot Tinka meine Arm an.
„Gehen wir?"
Tinka legte verlegen ihre Hand auf meinen Arm und nickte. Zusammen traten wir auf den Flur und stolzierten an dem armen Wachmann vorbei, der nicht recht wusste, wo er hinschauen sollte. Als ich ihm zu nickte, salutierte er nur steif und brachte kein Wort heraus.
„Seht ihr, ihr seid so schön, dass es jedem Feenrich die Sprache verschlägt“, kicherte Tinka.
„Bist du dir da sicher? Vielleicht findet er nur die Farbe in meinem Gesicht völlig lächerlich.“
„Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber vielleicht hat er Angst, dass ihr seine frivolen Gedanken direkt an seinem Gesicht ablesen könntet?“
„Tinka!“
Wir lachten. Doch ich sah aus den Augenwinkeln, wie der Wachmann bei ihren Worten kurz gefror, sich dann langsam und steif herumdrehte und den Flur in die entgegengesetzte Richtung abschritt.
Wir liefen die Treppe hinunter und kaum standen wir vor dem Thronsaal, hörte ich auch schon wie der Herold mich ankündigte. Hatte Mutter ihre Augen und Ohren denn überall?
Tinka wollte mich gerade loslassen und in den Bediensteten-Trakt abbiegen, doch in einem Anfall von spielerischem Leichtsinn hielt ich sie fest und raunte ihr zu:
„Oh nein. Du bleibst hier.“
„Finara, was habt..., was habt ihr vor?“
„Wirst du schon sehen. Bleib ganz dicht bei mir.“
Tinka wollte sich losreißen, aber da öffneten sich die Pforten und das Orchester spielte die ersten Takte. Ich zog sie einfach mit. Ich wusste, dass ich sie damit in große Verlegenheit brachte und vielleicht würde sich morgen das gesamte Schloss in Klatsch und Tratsch ergehen. Aber ich war so wütend und enttäuscht, ich musste einfach das Protokoll brechen.
Und während das Orchester den Blütenwalzer spielte, blieb ich mit Tinka in der Mitte des Saales stehen. Die Menge hörte auf zu tanzen und die Gäste starrten uns an, aber ich ignorierte sie und raunte Tinka zu:
„Tanz mit mir. Keine Angst, ich führe.“
Ich wartete erst gar nicht ihre Reaktion ab, sondern ergriff ihre Hand und wirbelte mit ihr über die Tanzfläche. Die Musik wurde lauter und übertönte die erstaunten Rufe der Gäste. Dem Herold fiel vor Schreck die Perücke herunter und Mutter schäumte an der Seite meines Vaters, der sie nur mit Mühe davon abhalten konnte, loszustürmen und die Situation noch schlimmer zu machen. Ich tanzte mit Tinka quer durch den Saal und lachte. Ihr Zopf hatte sich gelöst, sie hatte endlich etwas Farbe im Gesicht und viel wichtiger, sie lächelte. Den ganzen Tag hatte ich sie nur nervös, ängstlich, oder besorgt gesehen.
Doch jetzt strahlte sie. Allein dafür, hatte sich dieser Bruch mit dem Protokoll schon gelohnt. Niemand wagte es, unseren Tanz zu unterbrechen, bis die Melodie wechselte und mein Vater Tinka schließlich ablöste. Mit einem milden Lächeln sah er auf Tinka hinab. Sie lief knallrot an, knickste hastig und rannte, so schnell sie konnte, aus dem Saal.
„Wenn du erlaubst?“
Ich nickte und überließ mich Vaters Führung.
„Hast du dich mit deiner Mutter gestritten?“
„Eigentlich war sie diejenige, die angefangen hat.“
„Hat sie das?“
„Ja. Mir jede Politik aufbürden, aber mich wie ein kleines Feen-Kind behandeln, wenn es um die Ehe geht. Du kannst mir sagen, was du willst, diesmal ist sie Schuld.“
Mein Vater schwieg, doch ein merkwürdiger Schatten huschte über sein Gesicht.
„Vielleicht hat sie einen guten Grund.“
„Einen Grund mir meinen Geburtstag zu vermasseln?“
„Nein, mit der Tür ins Haus zu fallen.“
„Wie meinst du das?“
„Genau wie ich sage. Sie hat einen Grund für ihr Verhalten, bestimmt.“
„Aber warum sagt sie mir ihre Gründe nicht?“
„Tja, wenn ich das wüsste, wären wir jetzt nicht in dieser Situation, glaub mir.“
„Papa, du kennst ihre Gründe auch nicht?“
Ich hatte den Eindruck, während wir der Melodie folgten, dass der Schatten, der über sein Gesicht huschte, immer dunkler wurde. Aber vielleicht ließ auch nur der Glühwürmchen-Leuchter nach.
„Nein, leider nicht. Aber eins verspreche ich dir: Tinka wird nicht weiter in dieses Spiel hineingezogen. Ich werde persönlich dafür sorgen.“
Ich nickte erleichtert.
„Danke, Papa.“
Kommentare
Kommentar veröffentlichen